Julia Extra Band 0318
auf und schnappte nach Luft. „Ich erinnere mich wieder an etwas!“
Talos zog beide Brauen hoch, bevor er grimmig hervorstieß: „An was genau?“
In ihrem Überschwang ignorierte Eve seine merkwürdige Laune und strahlte über das ganze Gesicht. „Unseren ersten Kuss. Hier auf der Brücke, genau wie du gesagt hast. Oh, Talos, endlich funktioniert mein Verstand wieder! Jetzt kann alles gut werden.“
Stürmisch warf sie beide Arme um Talos und schmiegte sich an ihn. Dabei musste sie heftig gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen. Plötzlich kam es ihr so vor, als könne sich auch ihr Körper besser auf die Vergangenheit besinnen, denn mit jeder einzelnen Faser reagierte sie stärker auf Talos’ Nähe. Alle Furcht war verflogen, und die Stimmung zwischen ihnen war auf einmal wie elektrisiert.
„Oh, Eve, meine wunderbare Eve“, flüsterte er. „Heirate mich! Werde meine Frau!“
Ja, wollte sie sagen, zwang sich aber, den Kopf zu schütteln. „Du verdienst eine Frau, die sich daran erinnern kann, wie sie dich liebte.“
Sein Mund verzog sich zu einem seltsam fremden Lächeln. „Keine Sorge, ich bekomme genau das, was ich verdiene. Und wenn du erst meine Frau bist, werde ich dir Tag und Nacht dabei helfen, dir die Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen. Versprochen!“
Beeindruckt schluckte sie ein paar Mal und überlegte, dass es ganz natürlich wäre, wenn sie spontan heirateten. Immerhin erwarteten sie ein gemeinsames Kind. Aber war es nicht selbstsüchtig, Talos’ Antrag anzunehmen, obwohl Eve sich nicht an ihre Beziehung erinnern konnte? Andererseits wollte sie für sich und das Baby nichts mehr als geliebt und beschützt zu werden.
Seufzend atmete sie aus.
„Bitte erhöre mich“, drängte Talos und küsste sachte ihre Augenlider, ihre Stirn und dann ihren Hals. „Lass es uns gleich tun!“
Wieder standen ihr heiße Tränen in den Augen, und Eve überlegte, ob sie sich überhaupt auf ihre bisherige Liebe zu Talos besinnen musste. Vielleicht konnte sie sich auch ganz neu in ihn verlieben?
6. KAPITEL
Eve zu küssen fühlte sich an, als würde Talos in die Hölle hinabsteigen. Er fühlte sich von sengendem Feuer umschlossen, konnte allerdings nicht wirklich abschätzen, ob dieses Gefühl negativ oder positiv zu werten war. Sollte es sich etwa doch nicht um seine persönliche Hölle handeln? Falls nicht, was war es dann, was ihn umgab und in jede Pore seines Körpers drang?
Und woran lag es, dass Talos ständig sein Ziel aus den Augen verlor? Sicher, Eve Craig hatte sich sehr verändert. Sie war noch genauso sexy wie früher, aber nicht mehr so durchtrieben, und das machte sie noch viel attraktiver. Doch er durfte nicht vergessen, mit was für einem Menschen er es zu tun hatte. Das naive, süße Mädchen war nur Illusion, eine vorübergehende Begleiterscheinung der hartnäckigen Amnesie.
Die wahre Eve Craig war eine oberflächliche Egomanin, die ihre Jungfräulichkeit verschenkt hatte, um Talos auszubooten. Er durfte sie nicht gewinnen lassen. Dieses Mal würde der Sieg auf seiner Seite sein.
„Ja“, stimmte sie schließlich zu. „Ja, ich heirate dich. Schon morgen, wenn du willst.“
„Talos? Und heiraten?“, rief ein Mann hinter ihnen. „Ich kann kaum glauben, was ich da gerade gehört habe.“
Bestürzt fuhr Talos herum und erblickte seinen alten Freund. Dieser Mann verbrachte sein Leben zur Hälfte in New York und zur Hälfte in der Toskana. Aber was machte er hier in Venedig?
„Alexander“, begrüßte er den anderen Mann tonlos. „Was führt dich hierher?“
„Hätte nicht gedacht, dass ich diesen Tag noch erleben würde“, lachte Alexander Navarre und legte den Kopf schief. „Dabei hast du immer geschworen, du würdest nie heiraten. Und was für Vorträge du mir gehalten hast, als ich mit Lia vor den Traualtar getreten bin. Große Klappe und hinterher schlauer!“ Wieder lachte er auf und trat einen Schritt auf sie zu. „Ich kann es kaum erwarten, die Frau kennenzulernen, die …“
Als Eve sich leicht verwegen zu ihm umwandte, verschwand das Lächeln aus Alexanders Gesicht. Ungläubig sah er sie mit großen Augen an. „Soll das etwa ein Witz sein?“
Eine zarte Röte färbte Eves Wangen, und sie klammerte sich hilfesuchend an Talos’ Arm. „Was meinen Sie damit? Ein Witz?“
„Er kann sich schlichtweg nicht vorstellen, dass eine Frau wie du mir eine Chance geben würde“, schaltete sich Talos blitzschnell ein und warf seinem Freund einen warnenden Blick zu.
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