Julia Extra Band 0318
Marmorboden.
„Vor jenem Tag“, erklärte Talos und sah zu den Fenstern hinauf, „habe ich den Gerüchten über dich keinen Glauben geschenkt. Keine Frau könne so unbeschreiblich schön sein, habe ich gesagt. So atemberaubend und bezaubernd.“ Ganz langsam drehte er sich um und sah zu Eve hinüber. „Dann sind wir uns endlich begegnet.“
Im Geiste sah sie Talos’ dunkle Gestalt vor sich, wie er piratengleich durch die mittelalterlichen Hallen schritt, um der Frau seines Interesses von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.
„Du bist diese Stufen dort in einem langen roten Kleid hinabgeschritten“, fuhr er fort. „Zu allem Überfluss am Arm meines ärgsten Geschäftsrivalen, aber ich wusste sofort, dass ich dich ihm rauben würde. Dafür hätte ich mich mit dem Teufel persönlich angelegt.“
Er kam auf sie zu, und Eve konnte sich nicht vom Fleck rühren, selbst wenn sie es gewollt hätte.
„Eine Woche lang hast du dich von mir quer durch Venedig jagen lassen, bis du dich endlich ergeben wolltest, um anschließend mit mir nach Athen zu fliegen. Erst dort habe ich zu meiner Überraschung herausgefunden, dass du noch unschuldig warst.“ Seine tiefe Stimme berührte Eve direkt im Herzen. „Zum ersten Mal in meinem Leben begehrte ich eine Frau noch mehr, nachdem ich mit ihr im Bett war. Bis dahin war das immer umgekehrt gewesen.“
Er neigte den Kopf zu ihr. „Je mehr ich von dir hatte, desto mehr wollte ich dich.“ Beinahe hätte er sie geküsst, doch dann erstarrte er plötzlich. „Komm, lass uns fort von hier gehen.“
Höflich bedankten sie sich bei der Haushälterin für die spontane Gastfreundschaft und verließen den Palazzo. Draußen brauten sich Gewitterwolken zusammen, und Eve gewann den Eindruck, auch zwischen ihr und Talos käme so etwas wie ein Sturm auf, der nichts mit dem eigentlichen Wetter zu tun hatte.
Talos führte sie über eine steinerne Brücke, auf der sich momentan so gut wie keine Touristen befanden. Der kalte, feuchte Wind schlug Eve ins Gesicht, als Talos sich ihr mit ernstem Blick zuwandte.
„Hier habe ich dich zum ersten Mal geküsst“, flüsterte er und schob seine Hand in Eves Haare. Seine dunkelbraunen Augen wirkten in diesem Moment tiefschwarz und unendlich geheimnisvoll. „Und hier werde ich dich jetzt wieder küssen!“
Sie zitterte am ganzen Körper, und ihr Herz schlug unregelmäßig. Jedenfalls glaubte Eve das, denn wieso fühlte sie sich sonst so schwindelig und unsicher? Dabei sehnte sie sich nach Talos’ Kuss, aber gleichzeitig wollte ihr Verstand Eve befehlen, die Beine in die Hand zu nehmen und davonzulaufen.
Aber das kann ich nicht, ermahnte sie sich entschlossen. Dies ist mein Leben, dies ist meine Zukunft.
Außerdem hielt Talos sie fest in seinen Armen und machte daher eine Flucht unmöglich. Seine Lippen fühlten sich zuerst sehr sanft an. Zärtlich umkreiste er mit der Zungenspitze die Form ihres Mundes und lockte neckisch Eves eigene Zunge hervor. Sie umtanzten und liebkosten sich, als wäre es niemals anders zwischen ihnen gewesen.
Das Verlangen packte Eve wie eine große Welle und drohte sie zu ersticken. Vergessen war der Gedanke, vor Talos zu fliehen. Sie begehrte ihn, ebenso wie er sie.
Dann wurde sein Kuss fordernder, aber auch das schreckte Eve keinesfalls ab. Fest an ihn gepresst dachte sie, wie unglaublich dieses kribbelige Gefühl in ihrer Magengegend war. Verlangen mischte sich mit Wagemut und Abenteuerlust. So sollte ein Kuss sein!
Schwindelig vor Glück verlor Eve sich in Talos und stieß einen protestierenden Laut aus, als er von ihr abließ. Mit blitzenden Augen sah er sie an.
„Jetzt gehörst du wieder zu mir“, sagte er mit tiefer, heiserer Stimme.
Über ihren Köpfen kreischten ein paar Möwen hoch oben im Himmel, und in der Ferne ertönten Kirchenglocken. Unter ihnen plätscherte das Wasser seicht gegen das Ufer.
Ich gehöre zu ihm, ging es Eve durch den Kopf, und sie schloss überwältigt die Augen. Das hat Talos schon einmal zu mir gesagt, und er hat mich schon einmal so geküsst.
Eine heiße, schwüle Sommernacht, als der Vollmond seinen silbernen Schleier über die Welt warf. Eve erinnerte sich, wie Talos sie an sich gezogen hatte. Es war auf genau dieser Brücke gewesen, und in Eve hatte sich ein Gefühl der Erleichterung und des Triumphs entfaltet, als Talos ihr seinen fordernden Kuss aufzwang. Ihr fiel ein, wie sie sich willig in seine Arme hatte sinken lassen und …
Erschrocken riss sie die Augen
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