Julia Extra Band 0318
sie wütend. Wie kann er es wagen, in diesem Ton mit mir zu reden, dachte sie empört. Doch als er, schwer auf seinen Gehstock gestützt, an ihr vorbeiging, verflog ihr Ärger augenblicklich. Seine Züge waren so tief von Schmerz gezeichnet, wie sie es bisher nur bei Donal in den letzten Wochen seiner Krankheit erlebt hatte.
Entschlossen, ihn ohne Umschweife zu fragen, was mit ihm los war, lief sie ihm nach. „Mr. de Souza …“
„ Was ?“ Abrupt verharrte er in der Bewegung und drehte sich gereizt zu ihr um.
„Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen“, sagte sie mit heftig klopfendem Herzen, „aber falls mit Ihnen etwas nicht in Ordnung ist, würde ich gern helfen, wenn ich kann.“
„Helfen?“ Er verzog spöttisch die Lippen. „Sind Sie so etwas wie eine Wunderheilerin? In dem Fall sollte ich Sie wohl besser Die Heilige Marianne nennen.“ Seine Stimme troff vor Sarkasmus, während sein eisblauer Blick sie förmlich durchbohrte. „Soweit ich weiß, habe ich Sie als Haushälterin eingestellt, aber vielleicht fühlen Sie sich ja zu einer anderen Rolle berufen?“
„Nein, natürlich nicht“, versicherte Marianne ihm mit hochrotem Kopf. „Ich wollte nur …“
„Dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich in Zukunft auf die Aufgaben beschränken würden, für die ich Sie bezahle. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
Da sie wusste, dass jedes weitere Wort die Situation nur verschlimmern würde, biss Marianne sich auf die Lippen und trat eilig den Rückzug an. Doch schon nach wenigen Schritten hielt Eduardo sie zurück.
„Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie so angefahren habe“, bat er rau. „Ich schlafe nicht sehr gut, und es dauert eine Weile, bis ich mich menschlich genug fühle, um auch nur ein halbwegs zivilisiertes Gespräch zu führen. Es erstaunt mich, dass Ricardo Sie nicht vorgewarnt hat. Wahrscheinlich liegt das an seiner hartnäckigen Hoffnung, dass plötzlich irgendein Wunder mit mir geschieht.“ Er hielt kurz inne und sah sie stirnrunzelnd an. „Haben Sie überhaupt schon gefrühstückt?“
„Ja, danke. Ricardo hat mich erstklassig versorgt.“
„Gut. Dann überlasse ich Sie jetzt wieder Ihrer Arbeit.“
Marianne nickte. „Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe, Mr. de Souza. In Zukunft werde ich erst später hier saugen.“
„Dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden.“ Sekundenlang ließ er den Blick auf ihrem Gesicht ruhen, dann setzte er seinen Weg zur Treppe fort. Seine Bewegungen waren deutlich schwerfälliger als am Vorabend. Marianne wandte ihm demonstrativ den Rücken zu und begann eifrig, das Gemälde abzustauben, das sie vorhin betrachtet hatte.
Nur für den Fall, dass er sich beobachtet fühlte und sich noch einmal zu ihr umdrehte.
Mit zusammengepressten Lippen schob Eduardo die zwei weißen Kapseln von sich, die Ricardo zusammen mit einem Glas Wasser neben sein Frühstücksgedeck gelegt hatte. „Ich nehme dieses verdammte Zeug nicht, wie oft soll ich dir das noch sagen?“
Er hasste sich selbst für seinen harschen Tonfall, den der arme Ricardo wahrlich nicht verdiente. Aber nach so höllischen Nächten wie der letzten, in der die Schmerzen ihn fast ununterbrochen wach gehalten hatten, lagen seine Nerven blank, und schon die geringste Kleinigkeit konnte ihn zum Explodieren bringen.
Erfahrungsgemäß beruhigte sich das Toben in seinem Bein im Laufe des Tages auch ohne Schmerzmittel – vorausgesetzt, es gelang ihm, sich ausreichend zu entspannen. Ob er dieses Kunststück heute fertig bringen würde, war jedoch fraglich. Noch immer stand ihm Mariannes Gesicht vor Augen, als sie sich besorgt nach seinem Befinden erkundigt und ihm ihre Hilfe angeboten hatte. In diesem Augenblick hatte ihn ein so überwältigendes Bedürfnis nach ihrer Nähe überkommen, dass er nur mit äußerster Willensanstrengung dem Drang widerstehen konnte, sie in die Arme zu reißen. Zu gern hätte er sich in ihrer Wärme und ihrem zarten, blumigen Duft verloren.
Zum Glück war es ihm rechtzeitig gelungen, seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen und sich nichts anmerken zu lassen. Was, zum Teufel, hätte er auch erwartet, wenn er der Versuchung nachgegeben hätte? Marianne Lockwood mochte süßer duften als ein blühender Sommergarten, Tatsache war, dass sie ihm nicht helfen konnte. Und er würde sie dafür hassen, wenn sie es dennoch versuchte.
Momentan gab es nur eines, das eine attraktive Frau ihm schenken konnte, und dafür kam seine kleine Straßensängerin definitiv
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