Julia Extra Band 0318
Moment, bevor er ihr antwortete. „Um Eduardo de Souza zu verstehen, müssen Sie eines wissen“, begann er vorsichtig. „Er ist ein Mann, der …“ Auf der Suche nach den richtigen Worten richtete er den Blick kurz zur Decke. „Er lässt andere Menschen nicht gern in sein Privatleben blicken, Marianne. Und wenn er über bestimmte Themen nicht sprechen will, dann hat er seine Gründe dafür. Sie sollten das respektieren, selbst wenn Sie diese Gründe nicht kennen.“
„Aber das tue ich doch!“, beteuerte Marianne. „Ich verstehe nur nicht, was verkehrt daran ist, meine Besorgnis auszudrücken, wenn jemand Schmerzen hat oder in … irgendwelchen Nöten ist.“
Der Brasilianer schenkte ihr ein warmes Lächeln. „Sie haben ein gutes Herz, und das ist ganz sicher kein Verbrechen. Gehen Sie einfach einen Tag nach dem anderen an, und haben Sie Geduld mit ihm. Mit der Zeit wird er sicher erkennen, dass Sie ein aufrichtiger Mensch sind und ihm keine Schwierigkeiten machen wollen.“
Dankbar erwiderte sie sein Lächeln. Ricardos Worte hatten sie zwar in der Überzeugung bestärkt, nichts Falsches getan zu haben, trotzdem löste die bevorstehende Begegnung mit Eduardo ein nervöses Flattern in ihrem Magen aus.
Als Marianne das Zimmer verließ, atmete sie tief durch, um sich gegen Eduardos feindseligen, misstrauischen Blick zu wappnen, und sagte sich, dass sie schon weit Schlimmeres überstanden hatte.
„Hoffentlich mussten Sie nicht zu lange warten. Ich habe Ihnen auch ein paar Kekse mitgebracht.“
Marianne betrat das Wohnzimmer und stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab. Unter gesenkten Wimpern beobachtete sie, wie Eduardo seine Zeitung zusammenfaltete, sie neben sich aufs Sofa legte und sich mit beiden Händen das Haar aus der Stirn strich. Im flackernden Schein des Kaminfeuers wirkte sein Gesicht geheimnisvoll und überaus männlich, was die bläulichen Bartschatten auf Kinn und Wangen noch verstärkten. Er hatte die Ärmel seines Pullovers hochgeschoben. Als er nach der Kanne griff, wurde Mariannes Blick wie magisch von den muskulösen Unterarmen angezogen.
„Und wie kommen Sie zurecht?“, erkundigte er sich schroff, während er den aromatisch duftenden Kaffee in seine Tasse goss.
Sie hob den Kopf und begegnete dem forschenden Blick seiner eisblauen, von dichten Wimpern umkränzten Augen. Plötzlich schien ihr Herz doppelt so schnell zu schlagen wie vorher. Sie wollte etwas erwidern, doch ihr Kopf war wie leergefegt, sodass sie nur stumm dastehen und ihn mit großen Augen ansehen konnte wie ein hypnotisiertes Kaninchen.
„Ich meine mit Ihrer Arbeit“, fügte er erläuternd hinzu. „Ich hoffe, sie ist nicht zu hart für Sie.“
Energisch riss Marianne sich zusammen. „Nein, überhaupt nicht, sie macht mir sogar Spaß“, versicherte sie ihm. „Dieses Haus ist einfach herrlich. Jedes Mal, wenn ich einen neuen Raum betrete, ist es für mich wie eine … Offenbarung.“
„Oder wie ein Abenteuer ?“ Die Andeutung eines Lächelns spielte um Eduardos Lippen, woraufhin Marianne hochrot anlief.
„Ich nehme an, Sie halten das für sehr kindisch.“
„Weil Sie der Meinung sind, dass jemandem wie mir so etwas wie Abenteuerlust fremd ist?“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Als ich in Ihrem Alter war, hat mich das Unbekannte genauso angezogen. Die Biegung des Weges, hinter der ich vielleicht etwas Wundervolles entdecken würde. Aber leider hält das Leben auch weniger schöne Überraschungen bereit, die solchen Erwartungen ein sehr schnelles Ende setzen können.“
Im ersten Moment wusste Marianne nicht, was sie darauf erwidern sollte. Eine so offene Äußerung war das Letzte, was sie von diesem verschlossenen Mann erwartet hätte. „Es tut mir leid, wenn Ihnen Dinge zugestoßen sind, die Ihren Glauben an das Gute im Leben zerstört haben“, sagte sie schließlich. „Ich weiß, wie sich das anfühlt. Aber trotz allem muss es irgendwie weitergehen. Wir können nur versuchen, das Beste aus unseren Erfahrungen zu machen, meinen Sie nicht auch?“
„Und wenn man die Schuld daran trägt, dass andere Menschen zu Schaden gekommen sind?“
„Dann ist die Antwort Vergebung“, erwiderte sie leise. „Nicht nur von denjenigen, die man verletzt hat, sondern vor allem von sich selbst.“
Eduardo fasste sie scharf ins Auge. „Haben Sie Ihrem Vater vergeben, dass er ein Trinker ist und nie für Sie da war, wenn Sie ihn brauchten?“
Insgeheim fragte sie sich, ob es jemanden gab, dem er etwas
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