Julia Extra Band 0318
Schlimmes angetan hatte. Jemanden, der ihm nicht verziehen hatte, sodass ihn noch immer Reue und Schuldgefühle quälten.
„Ich versuche es von ganzem Herzen“, antwortete sie vorsichtig. „Was ich heute für ihn empfinde, ist schwer zu sagen, aber ich glaube, es ist vor allem Mitleid. Alkoholismus ist eine grausame Krankheit. Wenn sie einen erst einmal gepackt hat, ist es sehr schwer, davon loszukommen. Mein Vater hat mit dem Trinken angefangen, weil sein Geschäft kurz vor der Pleite stand. Wer in unserer Gesellschaft keinen Erfolg hat, ist ein Nichts, ein Versager. Das hat ihn schließlich zur Flasche greifen lassen.“
Sie lachte traurig. „Warum auf Bestrafung von außen warten, wenn man es selbst viel besser erledigen kann? Mein Vater ist das beste Beispiel dafür.“
Nach einem Moment des Schweigens fragte Eduardo unvermittelt: „Wollen Sie sich nicht für einen Moment zu mir setzen?“
Aufgewühlt von diesem unerwartet vertraulichen Gespräch und besorgt darüber, dass sie bereits zu viel gesagt haben könnte, lehnte Marianne rasch ab. „Ich muss in die Küche und das Abendessen vorbereiten. Ricardo hat zwei Wildenten besorgt, und ich wollte eine Orangensauce dazu machen. Außerdem gibt es grüne Bohnen und Kartoffelpüree.“
„Eine kulinarische Köstlichkeit, auf die man sich jetzt schon freuen kann, da bin ich mir sicher.“
„Ist das ein Hinweis darauf, dass meine Gerichte für Ihren Geschmack zu simpel sind?“
„Ganz im Gegenteil“, widersprach Eduardo. „Das war keine versteckte Kritik, sondern ein ehrliches Kompliment.“
„Oh …“ Marianne ließ die Haarsträhne los, mit der sie nervös gespielt hatte und lächelte unsicher. Wäre sie nicht so besorgt gewesen, jeden Augenblick etwas Falsches zu sagen, hätte sie sich liebend gern zu ihm gesetzt, um ihn für eine Weile auf andere Gedanken zu bringen. Aber seltsamerweise freute sie sich auch darauf, ihr erstes richtiges Abendessen in diesem schönen Haus zu kochen.
„Dann werde ich mich jetzt an die Arbeit machen“, verkündete sie. „Das Dinner wird gegen sieben fertig sein. Ist Ihnen das recht?“
Er nickte knapp. „Wir müssen noch über Ihr Gehalt sprechen.“ Sein Tonfall war so kühl und unbeteiligt, als hätte ihre Unterhaltung nie stattgefunden. „Ich schlage vor, dass Sie nach dem Essen in mein Arbeitszimmer kommen.“
„In Ordnung“, nickte sie.
Damit griff Eduardo wieder nach seiner Zeitung, und der kurze Ausflug in etwas persönlichere Gefilde war endgültig vorbei.
Entschlossen, ihre Enttäuschung darüber nicht zur Kenntnis zu nehmen, eilte Marianne in die Küche, um sich ihrer Ente à l’orange zu widmen.
6. KAPITEL
Ursprünglich hatte Eduardo Marianne sagen wollen, dass er seinen Ausbruch auf dem Spaziergang sehr bedauerte. Aber dann war ihm klar geworden, dass er, wenn er einmal damit anfing, aus dem Entschuldigen gar nicht mehr herauskommen würde. Besser, sie gewöhnte sich so schnell wie möglich daran, seine unberechenbaren Stimmungsschwankungen hinzunehmen.
Nun betrachtete er sie über seinen ausladenden Schreibtisch hinweg schweigend. Nach dem exzellenten Abendessen war sie wie verabredet in sein Arbeitszimmer gekommen. Warum hatte sie seine Einladung vom Nachmittag, sich zu ihm zu setzen, wohl ausgeschlagen? Wollte sie bewusst Abstand zu ihm halten? Überraschen würde es ihn nicht, auch wenn er selbst sich zunehmend zu ihr hingezogen fühlte. Der Gedanke, sie könnte ihre Stellung wieder aufgeben, behagte ihm ganz und gar nicht.
„Ich hatte mir das hier vorgestellt“, erklärte er und schob ihr ein Blatt Papier zu, auf das er eine Zahl gekritzelt hatte.
Nachdem sie einen Blick darauf geworfen hatte, lehnte Marianne sich in ihrem Stuhl zurück, ohne einen Kommentar dazu abzugeben.
„Und?“, drängte Eduardo sie schließlich ungeduldig.
„Es ist zu viel.“
Er seufzte. „Jetzt sagen Sie mir nicht, dass Sie wieder damit anfangen wollen.“
„Ich möchte nicht absichtlich schwierig sein, Mr. de Souza, aber …“
„Eduardo“, korrigierte er sie.
Ein rosiger Hauch überzog ihre Wangen. „Ich glaube nicht, dass es richtig wäre, Sie beim Vornamen zu nennen. Schließlich bin ich Ihre Angestellte und nicht …“ Sie errötete noch stärker. „Wie auch immer“, fuhr sie hastig fort, „Ihr Angebot ist viel zu großzügig. Besonders, wenn man in Betracht zieht, dass ich hier kostenlos wohne und esse.“
Als Marianne sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr schob und trotzig das
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