Julia Extra Band 0318
falls doch, wird sich Ricardo darum kümmern.“
Marianne nickte darauf nur und schloss leise die Tür hinter sich.
Es war eine echte Herausforderung, ohne Ricardos Hilfe das ganze Haus in Ordnung zu halten, zu kochen und Eduardo über den Tag hinweg mit Kaffee, Tee und anderen Getränken zu versorgen. Doch bisher war es Marianne ohne größere Katastrophen gelungen. Erschöpft, aber rundum zufrieden mit sich, ließ sie sich ein Bad ein und freute sich schon darauf, sich im heißen, duftenden Wasser zu entspannen.
Allerdings gab es zwei Dinge, die ihr ständig im Kopf herumgeisterten und es ihr unmöglich machten, wirklich zur Ruhe zu kommen. Zum einen erschien es ihr sehr seltsam, dass jemand, der sich so für Fotografie interessierte, dass er mehrmals dieselbe Ausstellung besuchte, nicht ein einziges persönliches Foto in seinem Haus hatte. Jedenfalls hatte Marianne bisher noch keins gesehen. Das legte die Vermutung nahe, dass Eduardo aus irgendeinem Grund nicht an das Leben erinnert werden wollte, das er vor seiner Übersiedelung nach England geführt hatte.
Der andere Punkt, der ihr zu schaffen machte, war die kurze Episode, die sich heute Nachmittag zwischen ihnen abgespielt hatte. Der Physiotherapeut war da gewesen und hatte Eduardo in einem, gelinde gesagt, erbärmlichen Zustand zurückgelassen. Noch immer sah Marianne sein schmerzverzerrtes Gesicht vor sich, die tiefen Schatten unter den Augen, die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn. Sein Anblick hatte sie so schockiert, dass sie jede Vorsicht vergaß und ihren Gefühlen lauthals Luft machte.
„Ich dachte, ein Therapeut sei dazu da, Schmerzen zu lindern und nicht, um sie zu verursachen“, schimpfte sie empört, worauf Eduardo mit bitterem Spott die Lippen verzog.
„Und was schlagen Sie vor? Soll ich ihm fristlos kündigen?“
Betreten senkte Marianne den Blick, als sie erkannte, dass sie sich wieder einmal zu weit vorgewagt hatte. „Tut mir leid, ich wollte mich nicht einmischen.“
„Offenbar haben Sie es sich in den Kopf gesetzt, meinen persönlichen Schutzengel zu spielen“, murmelte er, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, nahm er ihre Hand und strich sanft mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel.
Die Wirkung war überwältigend. Jähe Hitze durchflutete Marianne, ihr Puls begann zu rasen, und ihr Mund war plötzlich staubtrocken. Noch nie hatte sie so heftig auf die Berührung eines Mannes reagiert. Ihre Knie fühlten sich wie Watte an. Doch noch während sie versuchte zu begreifen, was mit ihr geschah, ließ Eduardo ihre Hand wieder los, um das Kissen in seinem Rücken in eine bequemere Position zu bringen. Dann lächelte er sie an … lächelte wirklich … und es war, als würde für einen atemlosen Moment der echte Eduardo zum Vorschein kommen. Ein Mann, der nichts mit der bärbeißigen, unzugänglichen Fassade gemeinsam hatte, hinter der er sich normalerweise verschanzte.
Plötzlich verspürte Marianne ein beinah unkontrollierbares Bedürfnis, ihn zu berühren. Sie wollte ihre Hand auf seine Wange legen, die sich sicher wie rauer Samt anfühlte, ihm die widerspenstige Locke aus der Stirn streichen und die Finger durch sein dichtes, bernsteinfarbenes Haar gleiten lassen.
„Ich glaube, eine Tasse Tee wäre jetzt genau das Richtige.“ Eduardos Stimme klang leicht amüsiert, als wäre er sich seiner Wirkung auf sie vollauf bewusst.
„In Ordnung, ich bringe Ihnen sofort einen.“
Beinahe fluchtartig verließ Marianne das Wohnzimmer. Kaum hatte sie die schwere Eichenholztür hinter sich geschlossen, lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und atmete mehrmals tief durch. Mit einer unbewussten Geste griff sie sich an den Hals und schloss die Augen, um Eduardos elektrisierende Berührung noch einmal zu durchleben. Dann besann sie sich energisch auf ihre Pflichten und ging in die Küche hinunter, um Tee zu machen.
Als Marianne um drei Uhr morgens die Augen aufschlug – hellwach und von einer seltsamen Unruhe erfüllt –, war ihr sofort klar, dass sie nicht wieder einschlafen konnte. Also knipste sie die Nachttischlampe an, klopfte ihr zerdrücktes Kissen auf und griff nach dem Roman, den sie gerade angefangen hatte. Mit einem leisen Seufzer lehnte sie sich zurück und begann zu lesen. Doch schon nach einem Absatz merkte sie, dass kein einziges Wort zu ihr durchdrang. Stattdessen glitt ihr Blick sehnsüchtig zu ihrem Gitarrenkoffer, der noch immer an derselben Stelle stand, wo Ricardo ihn abgestellt hatte.
Es schien ihr eine
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