Julia Extra Band 0318
konzentrieren konnte, seine Gereiztheit, wenn er seine Patzer bemerkte, die Art, wie er ständig die Luft ausstieß, als wollte er sich von einem inneren Druck befreien – all das verriet Marianne deutlich, was in ihm vorging.
Doch trotz dieses nervenaufreibenden Schwebezustands genoss Marianne die Nähe, die zwischen ihr und Eduardo entstanden war, in vollen Zügen. Sie befürchtete nur, dass sich alles wieder ändern würde, wenn Ricardo morgen aus London zurückkehrte und Eduardo sich dann wieder in den wortkargen, verschlossenen Eigenbrötler zurückverwandelte, der nichts und niemanden an sich heranließ.
Marianne hoffte inständig, dass das nicht geschehen würde, denn der entspannte, witzige und umwerfend charmante Mann, den sie in den vergangenen Tagen kennengelernt hatte, würde ihr schmerzlich fehlen.
Nach der Partie – die Eduardo schließlich doch noch gewonnen hatte – stand er vom Spieltisch auf und streckte sich ausgiebig, um die verspannten Muskeln zu lockern. „Ich fühle mich, als hätte ich eine chinesische Wasserfolter hinter mir“, stellte er mit grimmigem Humor fest.
„War es so anstrengend, mich zu besiegen?“, zog Marianne ihn auf. Anstatt ihr Lächeln zu erwidern, verhärteten seine Züge sich plötzlich. „Stell dich nicht so dumm“, fuhr er sie ungehalten an. „Du weißt ganz genau, was ich meine.“
Mit einem leise gemurmelten Fluch wandte er Marianne den Rücken zu, als ob er hoffte, auf diese Weise seine Fassung zurückzugewinnen. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, lag ein so unverhülltes Verlangen in seinen Augen, dass Marianne unwillkürlich der Atem stockte.
„Ich möchte, dass du heute Nacht zu mir kommst.“ Sein Gesicht war so angespannt, dass es wie aus Stein gemeißelt wirkte. „Bitte sag, dass du es tun wirst.“
Das Herz schlug Marianne bis zum Hals, und in ihrem Kopf drehte sich alles. „Ja“, antwortete sie leise. „Ich werde kommen.“
Nachdem Marianne geduscht und sich ihr Nachthemd angezogen hatte, legte sie sich aufs Bett und griff nach ihrem Buch, um noch ein paar Minuten zu lesen. Sie hoffte, so ein wenig zur Ruhe zu kommen, doch es funktionierte nicht.
Mit einem frustrierten Seufzer stand sie wieder auf und ging zum Fenster, um den Mond zu betrachten. Normalerweise hatte sein Anblick eine beruhigende Wirkung auf sie, aber angesichts dessen, was gleich passieren würde, versagte auch diese Methode. Trotz der kühlen Nacht glühte ihre Haut wie im Fieber, und ihre Nerven waren so überreizt, dass selbst das leise Knarren der Eichendielen wie Kanonendonner in ihren Ohren dröhnte.
Als Eduardo sie draußen im Wald und später in seinem Arbeitszimmer geküsst hatte, hatte sich alles so richtig angefühlt: beglückend, unbeschreiblich erregend und so selbstverständlich , dass Marianne geglaubt hatte, es müsse ebenso leicht sein, auch diesen letzten Schritt zu tun.
Doch so war es ganz und gar nicht. Je näher der Augenblick der Wahrheit rückte, umso größer wurde Mariannes Angst, Eduardo zu enttäuschen. Er wusste, dass sie verheiratet gewesen war. Zweifellos ging er davon aus, dass sie über ein gewisses Maß an Erfahrung verfügte. Wie würde er reagieren, wenn er entdeckte, dass sie noch Jungfrau war? Würde er sich von ihr an der Nase herumgeführt fühlen und sie unter irgendeinem Vorwand aus seinem Schlafzimmer hinauskomplimentieren, weil sie ihm nicht die sexuelle Befriedigung schenken konnte, die er gewohnt war?
Marianne hoffte inständig, dass es nicht so kommen würde. Sie glaubte nicht, dass sie diese Demütigung ertragen könnte, geschweige denn den Schmerz, von ihm zurückgewiesen zu werden.
9. KAPITEL
Marianne beschloss, Eduardo mitzuteilen, dass sie die Nacht doch nicht mit ihm verbringen würde. Die Angst vor seiner Zurückweisung, sobald er die Wahrheit herausfand, trieb sie zu dieser Entscheidung. Außerdem, so überlegte sie, während sie nervös zum oberen Stockwerk hinaufstieg, war sie schließlich nicht hergekommen, um eine Affäre mit Eduardo zu beginnen. Er hatte ihr eine Stelle und ein Dach über dem Kopf angeboten, solange sie es wünschte, und zwischen ihnen erwuchs langsam eine Freundschaft. Sie würde weder ihre noch seine Position kompromittieren, indem sie mit ihm schlief. Ganz gleich, wie verlockend die Vorstellung auch sein mochte.
Doch als er auf ihr zögerndes Klopfen hin die Tür aufzog und mit nacktem Oberkörper und einer dunkelblauen Pyjamahose aus Seide bekleidet vor ihr stand, da schmolz Mariannes
Weitere Kostenlose Bücher