Julia Extra Band 0318
besten Weg, ihm nach allen Regeln der Kunst das Fell über die Ohren zu ziehen. Was ihm zu seiner Überraschung nicht das Geringste ausmachte. Ganz im Gegenteil, es war lange her, dass ihm etwas so viel Spaß gemacht hatte wie dieses packende Duell mit einer Partnerin, die das Gesicht eines Engels und den Durchsetzungswillen eines Panzergenerals besaß.
„Schach“, verkündete sie nun mit einem süßen Lächeln, worauf Eduardo ungläubig seinen eingekesselten König anstarrte. Rasch ging er alle Möglichkeiten durch, die ihm noch blieben, aber es war hoffnungslos. Egal, welchen Zug er machte, spätestens nach drei Zügen würde Marianne ihn schachmatt setzen.
„Du hast definitiv einen Killerinstinkt“, stellte er trocken fest.
„Bist du wütend, weil ich gewonnen habe?“, fragte sie und sah ihn prüfend an.
„Absolut nicht“, versicherte Eduardo ihr. „Es war ein echtes Erlebnis, mit dir zu spielen. Wo hast du das gelernt?“
„Mein Mann hat es mir beigebracht. Wir haben sehr oft gespielt, wenn er wegen seiner Krankheit das Bett nicht verlassen konnte.“
Die Worte Mann und Bett genügten, um Eduardos neu gewonnener guter Laune einen Dämpfer zu versetzen. „Er war erheblich älter als du, oder?“, erkundigte er sich in beiläufigem Tonfall und versuchte, den Stachel der Eifersucht zu ignorieren, der sich in sein Herz bohrte.
„Er war neunundfünfzig, aber das habe ich dir ja schon gesagt.“
„Dann stehst du also eher auf ältere Männer?“
Ihr bezauberndes Lachen ging Eduardo durch und durch. Es war, als würden ihn Engelsflügel berühren.
„Ich stehe weder explizit auf ältere Männer noch auf kleine Jungs“, klärte Marianne ihn auf. „Es ist der Mensch, der mich interessiert, und nicht sein Alter, sein Beruf oder seine soziale Herkunft. Ob ich jemanden liebe oder nicht, weiß ich auch, ohne eine Checkliste abzuhaken, wie es einige von diesen albernen Frauenzeitschriften empfehlen.“
„Mhm …“
„Was meinst du mit diesem ‚mhm‘ ?“
Sie sah ihn an wie eine Mutter, die versucht, ihr bockiges Kind aus der Reserve zu locken. Eduardo konnte kaum fassen, mit welcher Gier er nach ihrer Aufmerksamkeit und Zuneigung lechzte.
Wie sehr er nach ihr lechzte!
Sie so nah vor sich zu sehen und doch nicht haben zu dürfen, empfand er als reine Folter. Bestimmt hätte er sie verführen können, das spürte er.
Er war Marianne an sexueller Erfahrung weit überlegen und wusste genau, welche Knöpfe er drücken musste, damit eine Frau schwach wurde. Aber so wollte er es nicht. Es wäre ein unverzeihlicher Vertrauensbruch gewesen, besonders nachdem er sich so großspurig gebrüstet hatte, warten zu können.
Also würde er genau das tun: Geduldig warten, bis Marianne von sich aus zu ihm kam. Selbst auf die Gefahr hin, dass er dabei vor Verlangen den Verstand verlor.
„Damit meine ich, dass ich dich morgen zu einer Revanche-Partie herausfordern werde“, teilte er ihr mit, stemmte sich aus seinem Stuhl hoch und betrachtete sie einen Moment lang schweigend, bevor er mit rätselhafter Miene hinzufügte: „Bereite dich am besten schon mal auf eine schwere Belagerung vor.“
Auch Marianne stand auf und strahlte von einem Ohr zum andern. „Es fuchst dich also doch, dass du verloren hast, stimmt’s?“
„Keineswegs. Ich möchte lediglich die Chance bekommen, den Punktestand auszugleichen.“
„Das ist nur fair.“ Sie rieb sich die Augen und gähnte. „Aber jetzt muss ich dringend ins Bett. Soll ich vorher das Feuer ausmachen?“
„Nein, lass nur, ich kümmere mich darum. Gute Nacht, Marianne.“
„Gute Nacht, Eduardo.“
Ein letzter Blick, ein flüchtiges Lächeln … dann war sie verschwunden.
Marianne konnte beim besten Willen nicht mehr ignorieren, dass sich ihr spontan entstandenes Schachturnier, das nun schon drei Abende dauerte, in ein Kräftemessen ganz anderer Art verwandelt hatte.
Sobald einer von ihnen einen Zug gemacht hatte, tauchten ihre Blicke unweigerlich ineinander. Das erotische Knistern zwischen ihnen verstärkte sich von Minute zu Minute. Inzwischen war sie kurz davor, die Figuren vom Brett zu fegen und Eduardo aufzufordern, sie auf der Stelle in sein Schlafzimmer zu bringen. Doch sie hielt eisern durch und tröstete sich mit dem Gedanken, dass er dieselben Qualen durchlitt wie sie.
Dass er es tat, war offensichtlich. Zwar sprach er es nicht laut aus, aber das war auch nicht nötig. Die unnötigen Fehler, die ihm permanent unterliefen, weil er sich nicht
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