Julia Extra Band 0318
Heimweh plagt mich.“
Schockiert starrte sie ihn an. „Heißt das, ich muss mir einen anderen Job suchen?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Ich möchte, dass du mit mir nach Rio kommst.“
„Als was? Als Haushälterin und Begleiterin?“ Unzählige Gefühle stürzten auf Marianne ein, die sie alle nicht benennen konnte. Nur eines davon erkannte sie – Angst. Angst, dass die wunderbare Vertrautheit zwischen ihnen schnell auf den zweiten Rang herabgesetzt werden würde, sobald Eduardo wieder bei seiner Familie und seinen Freunden wäre, die sie nicht kannten, die aber seine verstorbene Frau gekannt hatten.
Ihre Frage verdutzte ihn, und er runzelte die Stirn. „Als die Frau, mit der ich eine Beziehung habe“, erwiderte er bestimmt und zog sie in seine Arme. „Ist es nicht offensichtlich, dass wir uns längst weit vom Arbeitgeber-Angestellten-Verhältnis fortbewegt haben?“
„Und wovon soll ich leben, wenn ich keine Arbeit mehr habe?“
„Musst du das wirklich fragen? Ich werde mich um dich kümmern, Marianne. Du wirst dir um nichts Gedanken machen müssen.“
Sie fühlte sich in eine Ecke gedrängt und wollte sich aus seiner Umarmung lösen. Doch Eduardo hielt sie fest, offenbar entschlossen, den Grund für ihr Zögern herauszufinden.
„Würde es dir nicht gefallen, eine Weile die warme Sonne zu genießen und verwöhnt zu werden?“
Entschlossen blinzelte sie die Tränen in ihren Augen zurück. Sie war so sehr daran gewöhnt, allein zurechtzukommen, dass Freundlichkeit von anderen sie jäh aus der Bahn werfen konnte. So, wie es ihr jetzt mit Eduardo erging. Wie würde er wohl reagieren, wenn sie ihm gestand, dass sie sehr viel mehr für ihn sein wollte als nur seine Begleiterin?
Aus lauter Angst flüchtete sie sich in den Angriff. „Vielleicht war es falsch, dass wir miteinander geschlafen haben. Ich kam her, weil ich eine Stelle und ein Dach über dem Kopf brauchte … und keinen Urlaub und jemanden, der mich verwöhnt. Versteh mich nicht falsch, Eduardo. Natürlich kannst du nach Brasilien zurück, zurück zu Familie und Freunden, aber … ich weiß wirklich nicht, ob ich mitkommen kann.“
„Was hält dich hier, Marianne? Es gibt doch niemanden mehr, oder? Du hast selbst gesagt, dass du deinen Vater seit Jahren nicht gesehen hast und nicht einmal weißt, ob er noch lebt. Und ich habe dir gesagt, dass ich für dich sorgen werde. Es wird dir an nichts mangeln, wenn du mit nach Brasilien kommst.“
„Für wie lange?“ Ihre Stimme wollte brechen.
Er zuckte mit den breiten Schultern. „Wer kann schon voraussagen, wie lange Beziehungen halten, namorada ? Wir gehen sie im besten Glauben ein, doch manchmal verlangt das Leben einen hohen Preis. Sieh dir nur an, was mir passiert ist. Oder betrachte dein eigenes Schicksal. Wir können immer nur einen Tag nach dem anderen nehmen, nicht wahr?“
In seinem Blick las sie weises Verständnis und Zärtlichkeit, und sie fragte sich, wie sie nur einen weiteren Tag mit diesem unglaublichen Mann verbringen sollte, ohne ihm unverblümt ihre Liebe zu gestehen.
11. KAPITEL
Sobald Eduardo sich mit dem Mercedes, den er am Flughafen gemietet hatte, in den dichten Verkehr Richtung Stadt einfädelte, verstärkte sich der Druck hinter seinen Schläfen. Sechs Monate hatte er sich auf dem Land in England eingeigelt, hatte außer Ricardo, den Arzt, seinen Physiotherapeuten und später den einen oder anderen Ladenbesitzer in der kleinen Stadt niemanden gesehen. Bis er Marianne getroffen hatte, war sein Kontakt zum Rest der Menschheit auf ein Minimum beschränkt gewesen. So hatte er es auch gewollt.
Die Erinnerung war fast verblasst. Fast. Denn hier, in der heißen Nachmittagssonne, kam alles mit Wucht wieder zurück, all die Umstände, die ihn Schutz und Ruhe in einem weit entfernten Land hatten suchen lassen.
Hatte er geglaubt, unauffällig in Rios Leben zurückschlüpfen zu können, so war diese Hoffnung bereits am Flughafen zunichte gemacht worden. Der junge Mann am Mietwagenschalter hatte mit leicht zusammengekniffenen Augen das Formular ausgefüllt, um Eduardo dann sein Beileid für den Verlust seiner Frau auszusprechen.
Eliana war ein bekannter Serienstar im brasilianischen Fernsehen gewesen. Darum waren natürlich sowohl ihr wie auch Eduardos Gesicht überall erkannt worden, wohin sie auch gegangen waren. Mariannes verdutzte Neugier über die Anteilnahme des jungen Mannes war nahezu greifbar, aber es würde genug Zeit für Erklärungen bleiben, sobald sie das
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