Julia Extra Band 0319
genug war, um seinem Bruder versprochen zu werden, war sie doch auch alt genug, um sich für ihn zu interessieren.
Natürlich hatte das nicht funktioniert. Obwohl Spiros tatsächlich erkannt hatte, dass sie eine Frau war, stand ihnen genau jene Vereinbarung nun im Weg.
Als er sie zum ersten Mal an der Universität besuchte, hatte sie furchtbares Heimweh gehabt. Zwei Tage nachdem sie ihm in einer E-Mail ihr Leid geklagt hatte, stand er mit einem großen Blumenstrauß vor der Tür ihres Studentenwohnheims, ein hinreißendes Lächeln auf den Lippen.
Er hatte sie zum Essen eingeladen, und sie hatten bis spät in die Nacht geredet. Angeblich hatte er geschäftlich in den Vereinigten Staaten zu tun. Mindestens zweimal jährlich hatte er sie unter ähnlichen Vorwänden besucht. Dazwischen schickten sie sich beinahe täglich E-Mails, und mindestens einmal im Monat rief er sie an.
Im Scherz hatte Spiros oft gesagt, er kümmere sich nur um Dimitris Interessen – während sie vergeblich gehofft hatte, es seien seine eigenen.
Auch wenn sie in den Semesterferien zu Hause war, trafen sie sich. Sie sah ihn weit öfter als Dimitri. Der ältere Bruder interessierte sich offensichtlich überhaupt nicht für sie. Er machte keinerlei Anstalten, sie besser kennenzulernen, und war selten in Griechenland, wenn sie dort war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sie wirklich heiraten wollte, und wunderte sich vielmehr, warum er den Heiratsplänen zugestimmt hatte.
Es ging sogar das Gerücht, er habe eine Freundin in Paris. Alle hielten Phoebe für ahnungslos, aber sie wusste Bescheid. Und dass es sie nicht störte, war Beweis genug dafür, dass sie nichts für Dimitri empfand. Dagegen war sie jedes Mal am Boden zerstört, wenn sie in der Klatschpresse etwas über Spiros und seine neueste Flamme las.
Dass sie seit seinem letzten Besuch in Amerika keine solchen Geschichten mehr gelesen hatte, gab ihr Hoffnung.
Der Blick auf das elegante Geschäftsviertel von Athen verschwamm vor ihren Augen, als sie an jenen ereignisreichen Abend zurückdachte …
Phoebe saß mit untergeschlagenem Bein auf dem Küchenstuhl. Für die Abschlussprüfungen zu lernen, war alles andere als ein Vergnügen. Noch dazu litt sie an Frühjahrsmüdigkeit. In seiner letzten E-Mail hatte Spiros angedeutet, er wolle sie vor den Prüfungen noch einmal besuchen kommen. Seither fiel es ihr noch schwerer, sich zu konzentrieren.
Zur Abschlussfeier hatten sich beide Familien angesagt. Alle wollten diesen besonderen Tag mit ihr verbringen, außer dem Mann, den sie heiraten sollte. Dimitri war zu beschäftigt, und, ehrlich gesagt, war es Phoebe nur recht, wenn er den Feierlichkeiten fernblieb.
Wie hatte sie nur so dumm sein können, dieser unglückseligen Ehe zuzustimmen? Dimitri war zwar nur drei Jahre älter als Spiros, doch Phoebe kam es so vor, als lebte er auf einem anderen Planeten. Fahrig blätterte sie auf die nächste Seite ihrer Aufzeichnungen, obwohl sie von der vorherigen Seite kein einziges Wort in sich aufgenommen hatte.
Sie musste die Gedanken an Spiros verdrängen und sich wieder auf ihr Studium konzentrieren. Es war keine Kleinigkeit, dass sie studierte – ihrer Mutter war dieses Privileg schließlich verwehrt geblieben. Aber dass Phoebe auch noch in Amerika studieren durfte, war ein echtes Zugeständnis, und sie wollte, dass ihre Eltern stolz auf sie waren. Wie es aussah, würde sie ihren Abschluss magna cum laude machen, wenn sie in den Prüfungen nicht versagte – und das durfte um keinen Preis geschehen.
Also riss sie sich zusammen und war schon bald in die Welt der Wirtschaftstheorie vertieft.
Sie wusste nicht, wie lange sie schon lernte, als jemand an die Tür ihrer kleinen Studentenwohnung klopfte und sie aus ihren Gedanken riss. Phoebe versuchte aufzustehen, sank jedoch sofort wieder auf den Stuhl zurück. Das Bein, auf dem sie gesessen hatte, war eingeschlafen. Wie tausend Nadelstiche wanderte der Schmerz von ihrem Fuß das Bein hinauf. Stöhnend stützte sie sich auf den Tisch und zwang sich erneut aufzustehen. Wieder das Klopfen. Diesmal schon ungeduldiger.
„Ich komme gleich“, rief sie und humpelte zur Tür.
Als sie öffnete, stand sie Spiros gegenüber. ein Meter dreiundneunzig pure Männlichkeit. Sein dunkles Haar, das er im Job normalerweise konservativ zurückgekämmt trug, umrahmte sein Gesicht in wilden Locken. Zwar hatte er wie sie braune Augen, doch seine schimmerten golden. Bei seinem unwiderstehlichen Anblick wurde ihr
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