Julia Extra Band 0319
sondern der Mediziner, spürte sie. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie ehrlich zu ihm war. Doch vermutlich würde er ihr das Gleiche sagen wie all die Ärzte zuvor.
„Du musst keine Bedenken haben, frigide zu sein, nur weil es mit einem Mann nicht geklappt hat“, versuchte er, sie zu beruhigen.
Sie seufzte. Das hatte sie schon so oft gehört.
„Felicity, es hat nichts zu bedeuten.“
Seine Stimme klang warm und zuverlässig. Wie gern hätte sie ihm geglaubt.
„Ich war bei unzähligen Ärzten und auch bei Psychologen. Niemand konnte mir helfen.“
„Haben sie versucht zu klären, woran es liegen könnte?“ Er verzog keine Miene, als sie mutlos lachte. „Deine Schwester ist krank, nicht wahr?“
„Sie ist magersüchtig“, erklärte Felicity. „Doch es geht ihr schon besser.“
„Und deine Mutter ist ausgesprochen ängstlich?“
„Ich habe über all das schon mit Ärzten gesprochen.“ Sie stützte den Kopf in die Hände, denn sie war es so leid, ihre Familiengeschichte wieder und wieder erzählen zu müssen. „Mein Vater war Alkoholiker, aber er hat uns nie misshandelt.“ Wie sie all diese Fragen hasste, die zu nichts führten.
„Eine Misshandlung muss nicht immer bedeuten, dass man geschlagen oder missbraucht wird.“
„Das stimmt …“, räumte Felicity zaghaft ein. Nach außen wirkte sie immer stark, niemand hatte je erkannt, dass auch in ihr etwas zerbrochen war durch die Krankheit ihres Vaters und seine damit verbundene Unberechenbarkeit. Nur sie selbst wusste, dass ihre Angst, jemandem zu vertrauen, und ihr starkes Bedürfnis, immer kontrolliert zu handeln, in ihrer Kindheit begründet lag.
Karim gab nicht auf. „Hast du wirklich noch niemals Lust empfunden?“
Felicity schüttelte den Kopf. Doch innerlich musste sie zugeben, dass das nicht stimmte. Genau aus diesem Grund war sie hier. Karim hatte Gefühle in ihr wachgeküsst, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte. Und sie wollte wissen, ob er hielt, was seine Liebkosungen versprachen.
Unentschlossen stand er vor ihr. So gern hätte er dieser selbstlosen, schönen Frau geholfen, die gestern mutig ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte und die sich mit all ihrer Kraft für ihre Familie einsetzte. Seine letzten Stunden in der Freiheit verrannen, und noch gestern hätte er nach einer Ausrede gesucht, um sie allein zu lassen und sich zu amüsieren. Aber er wollte nicht fort von ihr, sondern die Zeit mit dieser Fremden verbringen. Wie sehr er sich wünschte, Freude und Leidenschaft in ihr Leben zu bringen – und er war sicher, dass auch er davon profitieren würde.
„Vielleicht kann ich dir als Arzt nicht helfen“, versuchte er einen anderen Weg. „Aber als Mann kann ich es ganz sicher.“
„Das hat Paul auch behauptet“, gab Felicity zurück, wütend über die Selbstherrlichkeit der Männer.
„Ich bin nicht Paul.“
Sie presste die Fäuste auf ihre geschlossenen Augen. Er hatte den wunden Punkt genau getroffen.
„Ich verspreche dir, dass du leidenschaftlich lieben kannst. Lass es mich dir beweisen“, beharrte er.
„Ach ja?“, gab sie schnippisch zurück. „Woher willst du wissen, dass es mir nachher nicht viel schlechter geht, wenn es vielleicht nicht einmal der aufregendste Mann …“ Peinlich berührt hielt sie inne und sah, wie seine Mundwinkel sich zu einem Lächeln verzogen. Stöhnend ließ sie sich ins Sofa zurückfallen, aber dann musste auch sie lachen.
„Danke für das Kompliment“, sagte Karim, doch dann wurde er wieder ernst. „Hast du gestern, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, wirklich nichts gespürt?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie verzweifelt und stand etwas zu hastig auf. Wie ein Tier auf der Flucht.
Geduldig hielt er sie zurück. „Lass uns noch einmal ganz langsam anfangen. Stell dir vor, du würdest Ja sagen zu meiner Einladung heute Abend.“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Karim ließ sich davon nicht irritieren. „Wir denken gar nicht daran, es zu tun, sondern genießen einfach ein wunderbares Essen zusammen.“ Aufmunternd sah er sie an.
„Ich weiß es nicht …“ Felicity war verzweifelt. „Ich kann dir nicht einmal beantworten, was ich gestern empfunden habe, als ich dich sah.“
Seine Stimme wurde dunkel und weich. „Du warst erregt. Da war eine Spannung zwischen uns, die nicht zu leugnen ist.“
„Wie kannst du so sicher sein?“
„Weil du mich auch völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hast“, gestand er. Und während er beobachtete,
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