Julia Extra Band 0319
Zeit, das Lachen, das Reden … das musste doch reichen, oder? Das musste doch Liebe sein, oder? Abby wusste, dass an dem Tag im Schloss etwas Gutes geschehen war, auch wenn das Château noch immer verschlossen war und Luc ein neues Vorhängeschloss an den Toren hatte anbringen lassen.
Abby verbrachte ihre Tage mit Kochen. Zusammen mit Luc ging sie auf den Markt, um immer wieder frische Zutaten einzukaufen. Sie liebte die sinnlichen Eigenschaften der Lebensmittel – die samtige Haut der Pfirsiche, den erdigen Geruch der Kartoffeln. Nicht alle ihre Rezepte gelangen, aber Luc probierte klaglos alle Ergebnisse ihrer Experimente.
Als die Abende wärmer wurden, aßen sie draußen auf der kleinen Terrasse. Obwohl man von dem Château nur die beiden Türme sah, die über die Baumkronen hinausschauten, war das Anwesen in Abbys Kopf doch ständig präsent. Sie fragte sich, ob Luc überhaupt einen neuen Anfang machen konnte, solange das Schloss verbarrikadiert blieb. Einen neuen Anfang mit ihr. Die Geister der Vergangenheit wurden in Schach gehalten, doch verschwunden waren sie nicht. Sie spukten in Abbys Kopf, lauerten im Dunkeln, quälten sie des Nachts, wenn sie allein im Bett lag und sich nach Luc an ihrer Seite sehnte.
Auch wenn sie jetzt die Abende zusammen verbrachten und über Gott und die Welt diskutierten, spürte Abby, dass Luc noch immer Distanz hielt. Wenn er sie küsste, dann sehnte sie sich nach mehr. Sie wollte ihn packen, ihn in ihr Zimmer zerren und ihn küssen, bis ihm Hören und Sehen verging. Doch sie hatte Angst vor seiner Zurückweisung. Zwar war er jetzt körperlich anwesend, aber emotional konnte er sich noch immer jederzeit verabschieden. Die Verbindung zwischen ihnen war noch zu empfindlich, und Abby hatte nicht vor, die neue Stärke zu testen.
Eines Nachmittags nahm er Abby mit auf einen Spaziergang zu den Hügeln hinter dem Haus.
„Wohin gehen wir?“, fragte sie und hielt das Gesicht in die wärmende Sonne.
„Lass dich überraschen.“ Luc nahm den Beutel von der Schulter, den er mitgebracht hatte, holte ein Stück Stoff und einige Stöcke hervor und begann damit zu hantieren.
„Was tust du da?“ Sie erkannte ihn nicht sofort, doch schon bald wurde es ihr klar. Ein Drachen!
„Der perfekte Tag, um Drachen steigen zu lassen“, sagte er und grinste jungenhaft.
Bis jetzt hatte Abby ihn noch nie richtig lachen sehen. Es erhellte sein ganzes Wesen, ließ seine Augen noch blauer strahlen und – raubte Abby jedes Mal den Atem. Sie sah ihm zu, wie er den Drachen zusammenbaute, eine Konstruktion aus Stöcken und einer Raute giftgrünen Nylons. Ein Kloß saß in ihrer Kehle. Wenn Sie tun könnten, was Sie wollen, was würden Sie sich dann aussuchen? Das hatte er sie an jenem Abend im Hotel gefragt, und er hatte es in Erinnerung behalten.
„Sollen wir dann?“ Luc hielt den Drachen hoch, der schon ungeduldig im Wind flatterte.
„Ja, gern.“
Aufgeregt wie ein Kind klatschte sie lachend in die Hände, als der Wind den Drachen in den Himmel hob. Luc hielt die Leine und begann rückwärts zu rennen, wobei er immer mehr Schnur gab. Abby legte den Kopf in den Nacken und schaute dem Drachen zu, wie er hoch dort oben vor den Wolken schaukelte, leicht und frei.
„Willst du es versuchen?“, rief Luc ihr zu. Er stand weiter von ihr entfernt im hohen Gras und ruckte an der Schnur, um den Drachen in der Luft zu halten.
„Ich kann das nicht“, rief sie, dabei juckte es ihr in den Fingern, die Spule zu halten. „Ich habe doch noch nie …“
„Ich weiß.“ Er lächelte schelmisch. „Das hier ist deine Chance.“
Lachend lief sie zu ihm hinüber. „Was muss ich tun?“
Er reichte ihr die Spule, trat hinter sie und zeigte ihr, wie man an der Schnur zog.
„Ich lasse Drachen steigen!“ Triumphierend lachte sie auf. Der Wind spielte mit ihren Haaren, sie spürte Lucs harte Brust an ihrem Rücken, und in diesem Moment schien ihr die ganze Welt zu Füßen zu liegen, sie fühlte sich so glücklich, frei und unbeschwert.
Und dann geriet der Drachen ins Trudeln. Luc versuchte noch, die Leine wieder zu spannen, doch zu spät. Ein letzter großer Bogen, und der Drachen schlug auf dem Boden auf. Abby entwand sich Lucs Armen und lief zu der Absturzstelle.
„Ich glaube, das war das Ende für ihn.“ Sie hob den zerrissenen Stoff und die zerbrochenen Stöcke auf.
„Sieht so aus“, bestätigte Luc und steckte alles zusammengerollt wieder in den Beutel zurück. „Trotzdem, das war es doch wert,
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