Julia Extra Band 0325
in schlechten Zeiten geht es zuerst der Kunst an den Kragen.“
Er wirkte überrascht. „Sind Sie Lehrerin?“
„Musiklehrerin, ja.“ Sie machte eine Kopfbewegung zum Flügel hinüber. Ihr eigenes Klavier befand sich in einem Lagerraum. „Das ist ein wunderschönes Instrument. Spielen Sie?“
„Nicht wirklich.“
„Oh.“ Sie fand es sehr schade, dass ein solches Instrument unbenutzt herumstand.
Bryan schien zu ahnen, was sie dachte. „Sie können den Flügel gern benutzen, aber wahrscheinlich muss er erst gestimmt werden.“
„Ich bezahle den Klavierstimmer, wenn ich darauf spiele.“
Seufzend schüttelte er den Kopf. Belustigt oder verärgert? Morgan war nicht sicher. „Meinetwegen, aber ich will nichts mehr von Verträgen und Untermiete hören. Das Thema ist abgehakt.“
Morgan widersprach nicht. Wenn sie auszog, würde sie einen Scheck hinterlassen. Bryan Caliborn würde noch merken, dass sie genauso stur wie er sein konnte. Aber es gab noch etwas, was sie wissen musste. „Machen Sie sich noch immer Sorgen darüber, wie es in der Öffentlichkeit ankommen könnte, wenn jemand von mir erfährt?“
„Unter anderem“, antwortete er ausweichend. Das und der Blick, mit dem er sie musterte, machte sie neugierig. Worüber machte er sich noch Sorgen?
„Damit Sie es wissen, ich bin Ihnen für Ihre Hilfe dankbar. Auch wenn ich Sie nur ungern aus Ihrer Wohnung verdränge. Ich fühle mich nicht wohl dabei.“
„Tun Sie es einfach.“
Wieder ein Befehl. „Wissen Sie, Sie haben die äußerst unschöne Angewohnheit, mir vorzuschreiben, was ich tun soll. Und jetzt verlangen Sie von mir sogar noch, wie ich mich fühlen soll.“
Erstaunt sah er sie an. Und verärgert. Zweifellos kam es selten vor, dass jemand ihn zu kritisieren wagte. Dann verbeugte er sich spöttisch. „Ich bitte um Entschuldigung.“
Der verdammte Kerl! Er machte sich über sie lustig. „Die würde ich annehmen, wenn sie denn ernst gemeint wäre.“
„Sie glauben nicht, dass ich sie ernst meine?“
Ohne ihre Schuhe war Morgan einen ganzen Kopf kleiner als Bryan. Trotzdem straffte sie die Schultern und hob das Kinn. „Nein, das glaube ich nicht.“
„Sie sind so verdammt … erfrischend“, entgegnete er mit gerunzelter Stirn.
Die Beschreibung verblüffte sie. Genau wie die Verwirrung in seinen Augen. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, gestand sie.
Er lachte kurz. „Gut. Dann sind wir quitt, denn ich weiß auch nicht, was ich von Ihnen halten soll.“
Das stimmte. Normalerweise durchschaute Bryan seine Mitmenschen mühelos. Morgan dagegen war ihm trotz ihrer Ehrlichkeit ein Rätsel. Je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, desto verwirrter wurde er. Und neugieriger. „Ich hole rasch mein Rasierzeug, und dann gehe ich.“
Als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, saß Morgan am Flügel. Weil das Baby im Gästezimmer schlief, schlug sie die Tasten nur leicht an. Im Halbdunkel sah sie fast aus wie ein Wesen aus einer anderen Welt, aber die Töne, die der Flügel von sich ab, waren alles andere als himmlisch. Selbst in seinen ungeübten Ohren hörte es sich falsch an.
„Wie schlimm ist es?“
Sie hob den Kopf. „Grauenhaft. Ein Instrument wie dieses so verkommen zu lassen, ist ein Verbrechen.“
Sie nahm kein Blatt vor den Mund. Er musste sich beherrschen, um nicht zu lächeln. „Ich würde mich dafür entschuldigen, aber dann werfen Sie mir bestimmt wieder vor, dass ich es nicht ernst meine.“
„Sie machen sich über mich lustig.“ Sie spielte ihm noch ein paar Misstöne vor.
„Nur ein bisschen.“
Sie fand das nicht komisch. „Wissen Sie, das finde ich fast so unerträglich wie die Tatsache, dass Sie mir nicht vertrauen und mich trotzdem neu einkleiden und hier unterbringen, als wäre ich hilflos.“
„Oh, als hilflos würde ich Sie nicht bezeichnen. Bisher haben Sie doch ganz gut für sich gesorgt.“
Ihre Augen wurden groß. Was für eine Unverschämtheit. „Hören Sie endlich auf!“, schrie sie ihn an und sah dabei so entrüstet und erschöpft aus, dass Bryan sich für seine spitze Bemerkung schämte. „Ich weiß nicht, was Ihr Problem ist, aber es ist Ihr Problem, nicht meins. Ich bin nicht hinter dem Vermögen der Caliborns her.“
„Würde ich jedes Mal, wenn eine Frau das behauptet, zehn Cent bekommen …“
Morgan knallte den Deckel des Flügels zu. „Und ich war Ihnen auch noch dankbar für Ihre Hilfe! Leider steht mein Wagen auf Ihrem Firmenparkplatz, sonst würde ich jetzt Brice
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