Julia Extra Band 0325
nehmen und von hier verschwinden.“
„Dabei wissen Sie nicht einmal, wohin Sie fahren sollten, Morgan. Sie haben kein Dach über dem Kopf und keinen Job. Deshalb sind Sie nach Chicago gekommen“, sagte er, obwohl er ahnte, dass er es später bereuen würde.
Ihre Augen blitzten, und ihre Stimme wurde heiser. „Wie kann es sein, dass Sie und Dillon Brüder waren? Ich habe Sie um nichts gebeten. Sie haben selbst darauf bestanden, dass ich in Ihre Wohnung ziehe. Trotzdem trauen Sie mir nicht.“
Dazu habe ich auch allen Grund, dachte Bryan und mobilisierte sämtliche bittere Erinnerungen, um sich gegen ihre Tränen zu wappnen. Ein zweites Mal würde er nicht darauf hereinfallen. „Sie haben recht, Morgan. Ich bin anders als Dillon, und Sie tun gut daran, das nicht zu vergessen.“ Er senkte die Stimme. „Aber ich kann Ihnen versichern, es gibt gewisse Dinge, die ich ebenso gut beherrsche, wie mein Bruder es bei Ihnen getan hat.“
Vor Empörung zitternd sprang Morgan auf und zeigte zur Tür. „Raus! Verschwinden Sie! Sofort!“
Natürlich hatte sie kein Recht, ihn aus seiner eigenen Wohnung zu werfen, aber Bryan widersprach nicht. Er tat einfach nur, was sie verlangte, und schämte sich schon jetzt für seine verletzende Bemerkung.
Bryan saß an seinem Schreibtisch und starrte mit leerem Blick auf die Skyline von Chicago, während er einen goldenen Füllfederhalter zwischen den Fingern drehte. Er war zu angespannt, um sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Und das hatte nichts damit zu tun, dass Windy Citys Gewinne im letzten Quartal geringer als erhofft ausgefallen waren. Er dachte an Morgan.
Es war jetzt fast einen Monat her, dass er sie zuletzt gesehen oder gesprochen hatte. Obwohl er wusste, dass er sich bei ihr für die unverzeihliche Bemerkung entschuldigen sollte, brachte er es einfach nicht fertig. Im Gegenteil, erst gestern hatte er – nach ungewöhnlich langem Zögern – einen Privatdetektiv damit beauftragt, Nachforschungen über ihre Vergangenheit anzustellen. Es war an der Zeit, etwas mehr über Morgan Stevens herauszufinden. Und zwar nicht nur, weil er ihr misstraute, sondern auch, weil er sich selbst nicht traute. Sich und diesem seltsamen Wunsch, ihr zu glauben, dass sie wirklich die Frau war, die sie zu sein behauptete.
Jetzt hatte sie ihn schon wieder verblüfft. Vor einer halben Stunde hatte sie angerufen und bei Britney die Nachricht hinterlassen, dass sie noch heute aus dem Penthouse ausziehen würde.
Das ergab keinen Sinn. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Bryan aus dem Büro eilte, obwohl er in einer Dreiviertelstunde eine wichtige Besprechung mit seinem Managementteam hatte. Er musste dieser Sache auf den Grund gehen.
Als er zwanzig Minuten später vor seiner Wohnung stand, klopfte er nicht an die Tür, sondern schloss einfach auf – und stolperte über das im Flur gestapelte Gepäck. Sie wollte also tatsächlich ausziehen. Aber ihm fiel auf, dass sie etwas von sich zurückließ. Auf dem beigefarbenen Sofa lagen zwei rote Kissen, und den Sessel zierte ein Überwurf in derselben leuchtenden Farbe. Nach nur drei Wochen hatte sie mehr Leben in seine Wohnung gebracht als er in drei Jahren zuvor. Das war kein Wunder, denn für ihn war das hier nur eine Übernachtungsmöglichkeit. An dem Tag, an dem er erfahren hatte, dass er gar kein Vater war, hatte er aufgehört, sich ein richtiges Zuhause zu wünschen.
Auf dem Couchtisch entdeckte er einen Umschlag mit seinem Namen darauf. Er öffnete ihn und fand einen auf ihn ausgestellten Scheck. Kopfschüttelnd starrte er auf den Betrag. Morgan war entweder eine hervorragende Schauspielerin, oder sie hatte mehr Stolz, als gut für sie war. Nach seinen Maßstäben war der Betrag nicht hoch, aber es war vermutlich mehr, als Morgan sich leisten konnte. Fluchend zerriss er den Scheck und steckte die Fetzen ein.
Aus dem Gästezimmer kam lautes Babygeschrei. Er ging hinüber und blieb vor der offenen Tür stehen. Morgan stand mit dem Rücken zu ihm an der Wickelkommode. Sie hatte abgenommen. Das sah er trotz der viel zu weiten Sachen, die sie trug.
Der Pferdeschwanz, zu dem sie das Haar gebunden hatte, ließ sie viel jünger wirken. Sie sprach beruhigend auf ihr Kind ein, während sie ihm eine frische Windel verpasste. „Komm schon, Brice. So schlimm ist es doch gar nicht“, sagte sie. „Das schaffen wir gemeinsam. Wir sind ein Team, schon vergessen?“
Das Weinen brach ab, als hätte das Baby sie verstanden. Aber vermutlich lag es eher
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