Julia Extra Band 0325
dass er jeden Tag so weit fahren muss.“ Morgan warf ihm einen mitleidigen Blick zu.
„Da hat sie recht.“
„Bryan!“, ermahnte ihn seine Mutter.
„Ich wäre gern wieder im Penthouse, aber sieh mich nicht so an, als würde ich Morgan und meinen Neffen einfach auf die Straße setzen wollen.“
Morgan starrte ihn an. Zum ersten Mal hatte er Brice als seinen Neffen bezeichnet. Einen Moment lang war sie nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte, aber dann sah sie die Entschuldigung in seinen Augen. Was hatte diesen Sinneswandel bewirkt?
Die Frage beschäftigte sie so sehr, dass sie nicht mitbekam, was Bryan als Nächstes sagte.
Dann klatschte Julia begeistert in die Hände. „Das ist eine wundervolle Idee!“, rief sie. „Warum ist mir das nicht selbst eingefallen? Was halten Sie davon, Morgan?“
„Wovon?“
„Ich habe gerade gesagt, du solltest im Gästehaus wohnen, wenn ich wieder ins Penthouse ziehe“, erklärte Bryan.
„Oh nein, das kann ich nicht. Du hast schon so viel für mich getan. Ich will mich dir und deiner Familie nicht länger aufdrängen. Es wäre … nicht richtig.“
„Unsinn“, sagte Hugh. „Wir hätten Sie und Brice sehr gern hier. So lange, wie Sie möchten.“
„Und mein Weg zur Arbeit wäre viel kürzer“, erinnerte Bryan sie mit einem schiefen Lächeln.
Julias Argument war am überzeugendsten. „Außerdem drängst du dich nicht auf. Du und Brice, ihr gehört jetzt zur Familie.“
Die Worte waren für Morgan wie eine Umarmung. Sie hatte sich so allein gefühlt, wie war so allein gewesen, seit sie ihre Eltern verloren hatte. Und jetzt boten diese Menschen, die sie noch nicht mal eine Stunde kannten, ihr nicht nur einen Platz zum Wohnen, sondern auch einen Platz in ihrem Leben.
„Oh, das ist … das ist so …“ Ihre Augen wurden feucht, und sie wusste, dass sie sich gleich lächerlich machen würde. Dann sprang sie auf.
Sie hatte keine Ahnung, wohin sie wollte, aber sie brauchte einen Moment, um ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Sie folgte einem gepflasterten Weg durch eine rosenbewachsene Laube, angezogen vom Geräusch rauschenden Wassers. Hinter der Laube gab es einen kleinen Wasserfall, der sich in einen Teich mit Koi-Karpfen ergoss. Morgan setzte sich auf eine Steinbank und ließ den Tränen freien Lauf. Als sie kurz darauf die Hände vom Gesicht nahm, stand Bryan vor ihr.
„Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht.“
Er reichte ihr sein Taschentuch.
Sie trocknete sich die Augen ab – die sie am Morgen so sorgfältig geschminkt hatte – und rang sich ein Lächeln ab. „Tut mir leid. Ich brauchte nur mal eine Minute.“
„Du musst dich wirklich nicht entschuldigen.“
„Deine Mutter ist sehr liebenswert und …“ Sie schaute auf den Teich. Das Rauschen und Plätschern hatte etwas Beruhigendes. Genau wie Bryans Nähe. „Ohne Familie ist es unglaublich einsam. Sicher, ich habe einige Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen, denen ich Weihnachtskarten schreibe. Aber das ist nicht zu vergleichen.“
„Nein, das ist es wohl nicht.“
„Ich habe mich nie darüber geärgert, dass ich Einzelkind war. Meine Eltern waren wundervoll. Und lustig. Ich konnte mit ihnen über alles reden, und …“ Sie schluckte und musste eine kurze Pause machen. „Als meine Eltern plötzlich starben, geriet meine ganze Welt aus den Fugen. Ich wusste nicht mehr, wohin ich am Sonntagnachmittag fahren sollte. Oder in den Semesterferien. Ich konnte niemanden mehr anrufen, um mir einen Rat zu holen oder mich aufmuntern zu lassen.“
„Das muss die Hölle gewesen sein.“
Sie wischte frische Tränen ab. „Als ich erfuhr, dass ich mit Brice schwanger war, war meine erste Reaktion nicht Schock oder Verzweiflung.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Natürlich war ich nicht begeistert, dass ich eine alleinerziehende Mutter werden würde, zumal ich kurz darauf meinen Job und damit auch die Krankenversicherung verloren hatte. Aber ich habe mich auch gefreut, dass ich bald nicht mehr so allein sein würde.“
„Du bist nicht allein, Morgan.“
„Ich weiß. Ich habe Brice.“
„Du hast mehr als ihn.“ Er half ihr aufzustehen und ließ danach ihre Hand nicht los, sondern schob die Finger zwischen ihre. Ihre Handflächen berührten sich. „Wenn du lieber nicht zum Mittagessen bleiben willst, bringe ich dich in die Stadt zurück. Meine Eltern werden es verstehen.“
„Nein. Ich bleibe. Ich beende immer, was ich angefangen habe.“
„Ja, so viel weiß ich
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