Julia Extra Band 0325
Vorstellung war unerträglich. Etwas in mir befahl mir, dich unbedingt zu finden. Es war dasselbe, was mich auch schon in der Nacht nach dem Ball zu dir getrieben hatte, als du mir von Ben erzähltest. Etwas, das du schon immer in mir geweckt hast, Melissa, schon damals in England. Etwas, das ich bisher nicht bestimmen konnte.“
„Kannst du es denn jetzt bestimmen, Cristiano?“ Sie wusste, dass er bis an seine äußerste Grenze gekommen war. Aber sie musste es von ihm hören. Wollte, dass er auch den letzten Schritt noch tat und es klar aussprach, damit es in Zukunft kein Missverständnis mehr geben würde.
Sein Blick lag ruhig auf ihrem Gesicht. Ein kleines Wort nur, und doch die größte Macht auf Erden. „Liebe.“
„Liebe?“
Die Unsicherheit ließ ihre Stimme schwanken, und deshalb bestätigte er es noch einmal fest. „Ja, Liebe.“ Jetzt berührte er sie, nahm aber nur ihre Hand, an der sie den Ehering trug. „Als mir klar wurde, dass ich dich würde heiraten müssen, weil du meinen Sohn geboren hattest, jubelte ein Teil von mir auf. Weil du auf immer mir gehören würdest, mir allein.“
„Und doch hast du es nie gezeigt.“
„Natürlich nicht. Dieses Gefühl jagte mir maßlose Angst ein. Weil es mich verletzlich machte.“
„Du und verletzlich?“, hakte sie ungläubig nach.
„Ja, ich.“ Er lächelte zerknirscht. „Ich musste mir eingestehen, dass ich nicht anders bin als andere Menschen. Ich empfinde die gleichen Gefühle, auch wenn ich immer gegen sie angekämpft habe.“
Ergriffen legte Melissa die Hand an seine Wange. „Oh, Cristiano.“
„Ich liebe dich, Melissa“, gestand er leise. „Ich liebe dich, weil du stark genug bist, um dich gegen mich zu behaupten und weil du dir etwas aus mir machst. Ich liebe dich für den Sohn, den du mir geboren und den du so liebevoll aufgezogen hast, trotz aller Stolpersteine, die das Schicksal dir in den Weg geworfen hat. Ich werde euch beide für den Rest meines Lebens lieben. Wenn du es mir nur erlaubst, meine sture Dummheit wieder gutzumachen.“
Keine Sekunde zweifelte sie an seiner Erklärung, die Wahrheit stand in jedem einzelnen erwartungsvollen Zug seines geliebten Gesichts. Vor ihr stand kein Fürst, sondern ein Mann, der den Pflichten immer Vorrang vor den eigenen Wünschen gegeben hatte. Ein Mann, der von einem trauernden harten Vater aufgezogen worden war, ohne die liebevolle Wärme einer Mutter.
Sie war so aufgewühlt, dass es dauerte, bevor sie sprechen konnte. „Ich liebe dich auch.“ Tränen brannten in ihren Augen. „Ich habe dich immer geliebt, und ich werde dich immer lieben.“
Sanft umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen. „Kannst du mir je vergeben?“
Nickend blinzelte sie die Tränen fort, dann küsste sie ihn leicht. „Das alles ist jetzt Vergangenheit. Ab jetzt zählt nur noch die Zukunft.“
„Und natürlich die Gegenwart“, erwiderte er mit einem vielsagenden Lächeln, zog Melissa tiefer in den Schatten des Felsens, um den Ferngläsern der Sicherheitsleute zu entgehen, und küsste seine Fürstin, ohne auch nur einen Gedanken an das Protokoll zu verschwenden.
EPILOG
Und so wurde das Fürstentum Zaffirinthos zu einem leuchtenden Beispiel für die ganze Welt. Historiker und Soziologen schrieben zahllose Essays und Artikel über das bemerkenswerte Herrschaftsmodell, in dem zwei Brüder sich die Regentschaft über ein Land teilten.
In langen Telefonaten hatte Cristiano Xaviero dazu bewegt, mit seiner Familie zurück nach Zaffirinthos zu ziehen und eine wichtige Position in der Regierung zu übernehmen. Nun, wie Melissa angemerkt hatte – allzu viel Überredungskraft hatte es dafür nicht gebraucht. Xaviero liebte seine Heimat, genau wie Prinzessin Catherine längst gelernt hatte, das Land zu lieben. Beide waren sie Londons müde geworden und sehnten sich nach der Ruhe der wunderschönen Insel im Mittelmeer.
Das junge Paar zog in die fürstliche Villa auf der Ostseite der Insel, dort, wo Melissa und Cristiano die Flitterwochen verbracht hatten. Cosimo und Ben spielten täglich zusammen. Den beiden kleinen Jungen tat es gut, einen gleichaltrigen Spielkameraden zu haben, und noch besser würde es werden, wenn die beiden erst zusammen in den Kindergarten kamen, anstatt von Privattutoren unterrichtet zu werden. Eine neue Generation von Landesfürsten wuchs auf der Insel heran. Sie wurden in dem Wissen erzogen, dass die Pflicht nicht länger über die Liebe gestellt werden musste.
Melissa bestand darauf,
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