Julia Extra Band 0328
wo mein Sohn ist.“ Seine Augen funkelten. „Nein, sag mir zuerst, wie der Sohn deiner Schwester heißt.“
Sie rätselte, was ihn so erregt haben könnte. Wie kam er mit einem Mal auf ihre Schwester?
Und plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wusste sie es.
Die Fotografie, die er in ihrem Haus entdeckt hatte, tauchte vor ihren Augen auf. Die er sich vom Kaminsims genommen und lange betrachtet hatte. Ihre Schwester, die aussah wie sie selbst. Ihr blonder, sommersprossiger Ehemann.
Und ihr dunkelhaariges Kind mit einem Teint wie reife Oliven.
Jetzt hatte er wohl eins und eins zusammengezählt.
„Tariq“, sagte sie mit belegter Stimme. „Du verstehst das falsch.“
Er schüttelte den Kopf und machte einen Schritt auf sie zu.
„Was genau soll ich nicht verstehen? Kannst du mir das erklären?“, fragte er sie eisig. Nur mit großer Mühe konnte er seinen Zorn zügeln, der nicht nur ihn verbrennen würde, sondern Jessa, das ganze Haus, die gesamte verdammte Stadt. „Würdest du die Güte haben, es mir zu erklären? Wenigstens irgendwann?“
„Es ging nicht“, sagte sie mit einem Kloß im Hals und Tränen in den Augen. „Ich musste das Geheimnis wahren.“
Er lachte bitter. „Diese Entschuldigung könnte ich gelten lassen, Jessa, wäre ich nicht die einzig andere Person auf der Welt, die ein Recht darauf hat, zumindest so viel über das Kind zu wissen wie du.“
„Es geht nicht um dich!“, rief sie und warf die Arme verzweifelt in die Luft. „Es geht einzig und allein um ihn, Tariq. Darum, was er braucht!“
„Du hast mich in dem Glauben gelassen, er sei verschwunden. Spurlos verschwunden.“ Die Worte kamen zischend aus ihm heraus. Er hatte einen ätzenden Geschmack von Verrat im Mund, fühlte, wie er davon zerfressen wurde, wie der Glaube an sie – an sie beide – verbrannte, bis nur mehr verkohlte Reste übrigblieben.
„Das ist genau die Reaktion, die ich vermeiden wollte!“, rief sie aus.
„Genug geredet!“ Er hielt die Hand hoch. Abrupt wandte er sich um und stolzierte Richtung Tür.
Jessa hatte nie vorgehabt, ihm davon zu erzählen. Obwohl sie sich ihm hingegeben, ihn getröstet hatte. Doch ihm gegenüber preisgeben, wo ihr Sohn sich befand – das hatte sie nie gewollt.
An der Tür blieb er stehen und rang um Fassung.
„Hast du dir eingebildet, ich würde die Ähnlichkeit nicht bemerken?“, sagte er, nachdem er sich umgedreht hatte. „Welchen Bären wolltest du mir für diesen Fall aufbinden?“
„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du ihn jemals zu Gesicht bekommen würdest. Was interessiert dich schon meine Familie?“, fragte sie aufgebracht.
„Ich habe dir verkündet, dich mit in mein Land zu nehmen“, gab er heftig zurück. „Welche Folgen wird das haben, was glaubst du?“
„Du wirst sicher Tausende von Frauen in dein Land mitgenommen haben!“, gab Jessa ihm erregt zurück. Ihre Wangen glühten.
„Du irrst.“ Die Worte tropften wie kleine Eisbrocken aus seinem Mund. „Niemals würde ich meinem Volk eine Frau präsentieren, wenn ich nicht die Absicht hätte, mit ihr zu leben. Aber das ist keine Sache mehr, die dich betrifft.“
In schockiertem Schweigen sah sie ihn an. Etwas rührte sich in ihm, doch er unterdrückte das Gefühl sofort. Nein. Verdammt sollte sie sein . Ihr Schmerz bewegte ihn nicht mehr.
Tariq schüttelte den Kopf und wandte sich wieder zur Tür.
„Bitte …“, flehte sie. Es klang wie ein leises Schluchzen. „Wohin gehst du?“
Die Eiseskälte in seinem Blick ließ sie erschauern.
„Zu meinem Sohn“, stieß er mühsam aus.
Und dann ging er, bevor er noch etwas zerbrechen konnte. Bevor sie ihn noch weiter zerstören könnte, als sie es schon getan hatte.
15. KAPITEL
Jessa sollte ihn nur deshalb begleiten, damit Tariq Zugang zu seinem Kind erhielt. Darüber hinaus schnitt er sie. Im Flugzeug sprach er kein Wort mit ihr. Tariq schwieg auch, als der Wagen sie beide in Leeds abholte und nach York brachte. Jessa empfand keine Freude an der vorbeiziehenden Landschaft. Sie sah das Unglück kommen. Das Ende all dessen, wofür sie gekämpft hatte.
„Ich kenne deine Pläne nicht“, sagte Jessa leise, als der Wagen in die Hauptstraße einbog. Es war nicht der erste verzweifelte Versuch, ihn anzusprechen. „Aber du kannst nicht einfach das Haus meiner Schwester betreten und Forderungen stellen!“
„Warte ab!“, sagte er. Seine Stimme vibrierte unter demselben Zorn, der ihn seit Paris begleitet hatte. Jessa würdigte er
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