Julia Extra Band 0330
alten Eiche zu stehen und mit Ellie den blauen Blütenteppich zu bewundern. Er stellte sich vor, dass sie sich dabei freudestrahlend anlächelten.
Gleich darauf verwarf er den Gedanken. Er mochte Ellie und respektierte sie, und er fand sie äußerst anziehend, doch mehr durfte nicht daraus werden. Nicht nur seinetwegen, sondern auch ihretwegen. Sie könnte niemanden gebrauchen, der ihr womöglich noch mehr Kummer verursachte.
Er sprang auf und ging unruhig hin und her. Um Abstand zu ihr zu bekommen, war er eine Zeit lang von Larkford weggeblieben. Doch es war vollkommen sinnlos, denn er musste immer häufiger an sie denken.
Wieder trat er ans Fenster und blickte über die Stadt. Was tat er hier eigentlich? Wenn die Distanz zu Ellie sowieso nichts bewirkte, dann konnte er seine Zeit genauso gut in seinem hübschen Landhaus verbringen. Er hatte große Lust, dorthin zu fahren und sich die Glockenblumen anzusehen.
Das entfernte Läuten einer Turmuhr weckte Ellie aus ihrem Samstagmorgenschlummer. Automatisch zählte sie die Schläge mit. Acht.
Durch die Vorhänge fiel warm das Sonnenlicht. Sie gähnte und streckte sich, dann stand sie auf und öffnete das Fenster. Tief sog sie die frische Morgenluft ein. Ihr Apartment war fertig renoviert, und sie war vor ein paar Tagen eingezogen. Vom Küchenfenster blickte sie in den gepflasterten Innenhof, und vom Schlafzimmerfenster aus in den wundervollen Garten. Unter ihr in den Klematisranken summten die Hummeln und saugten träge an den Blüten.
Ihr Blick fiel auf das Foto von Chloe auf der Fensterbank. Es war an ihrem vierten Geburtstag aufgenommen. Grinsend wie ein Honigkuchenpferd saß ihre kleine Tochter vor der Geburtstagstorte. Hinter Chloe standen sie und Sam mit glücklichen Gesichtern. Sie drückte einen Kuss auf ihren Zeigefinger und presste ihn auf Chloes lächelnden Mund.
Seit einiger Zeit tat die Erinnerung nicht mehr so weh. Sie erinnerte sich sogar gerne. Früher hatte sie es nicht ertragen können, das Foto anzusehen, und doch hatte sie es immer aufgestellt. Als ob sie sich dafür bestrafen wollte, dass sie noch lebte, während ihre beiden liebsten Menschen tot waren.
Sam würde den Kopf über sie schütteln. Sie sah förmlich seine haselnussbraunen Augen auf sich gerichtet. Hab keine Angst vor dem Leben, Ellie. Wie oft hatte er das zu ihr gesagt.
Als Kind war sie immer schüchtern gewesen, doch Sam hatte es verstanden, sie aus der Reserve zu locken. Wenn sie sich nicht traute, beim Fangenspielen mitzumachen, hatte er sie einfach an der Hand genommen und mit ins Spiel hineingezogen.
Immer hatte er sie ermutigt, etwas zu wagen, das Leben anzupacken.
„Verzeih mir, Liebster“, flüsterte sie seinem lächelnden Gesicht auf dem Foto zu, dann drehte sie sich seufzend um und zog ihren Morgenmantel an.
Seit dem Zwischenfall in Marks Auto hatte sich etwas verändert. Sie fühlte sich wie von einer Last befreit. Es hatte so gut getan, sich seinen starken Armen anzuvertrauen und ihren Kummer herauszulassen.
Auch ihr Verhältnis zu Mark hatte sich geändert. Seit sie eng umschlungen an der Straße gestanden hatten, schienen sie wie durch ein unsichtbares Band verbunden zu sein.
Nicht zuletzt kam ihr auch Mark verändert vor. Seit ein paar Wochen wohnte er ganz in Larkford, und wenn er in London zu tun hatte, nahm er die zwei Stunden Rückfahrt im Feierabendverkehr gerne in Kauf. Sie genoss das Zusammensein mit ihm. Er war witzig und unterhaltsam, und es gefiel ihr, wenn er sie auf seine gutmütige Art ein wenig aufzog.
Ellie wendete gerade den Salat für den Lunch, als draußen ein Auto vorfuhr. Komisch, sie hatte angenommen, Mark würde heute ausschlafen, nachdem er letzte Nacht sehr spät von einer Veranstaltung nach Hause gekommen war. Überrascht blinzelte sie ihn an, als er kurz darauf in die Küche kam.
Immer noch stockte ihr jedes Mal der Atem, sobald er den Raum betrat.
„Du bist ja schon so früh unterwegs.“
„Ich hatte was zu erledigen.“
Sie bemerkte die kleine Einkaufstüte mit dem Logo eines bekannten Elektronikgeschäfts und schüttelte den Kopf. „Hast du dir etwa ein Computerspiel gekauft?“
Statt wie üblich einen Scherz zu machen, wirkte er beinahe ein wenig verlegen. „Es ist für dich.“
„Für mich?“ Erstaunt blickte Ellie auf die glänzende schwarze Schachtel, die er ihr hinhielt. Ein Palmtop.
„Du kannst ihn an deinen Laptop anschließen und so deine Notizen und Daten immer mit dir herumtragen. Man kann sogar was
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