Julia Extra Band 0330
hatte. Hatte die Polizei an ihre Tür geklopft und es ihr gesagt? Dann fiel ihm ein, dass sie „wir“ gesagt hatte.
„Warst du denn auch im Auto?“
Sie nickte schniefend mit dem Kopf. „Ich bin gefahren.“
Mark nahm sie in die Arme und spürte ihre salzigen Tränen an seiner Wange. Er schloss die Augen, weil ihm plötzlich auch die Tränen kamen.
„Fühl mal“, sagte sie. Zuerst verstand er nicht, was sie meinte, dann nahm sie seine Hand und legte sie auf ihren Kopf. Auf der rechten Seite spürte er eine tiefe Kerbe in ihrem Schädel. Sanft streichelte er darüber.
„Die Polizei meinte, ich hätte den Unfall nicht verhindern können. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich werde es nie ganz sicher wissen. Habe ich vielleicht eine Sekunde zu spät reagiert, hätte ich das Lenkrad noch schnell herumreißen können?“
Wieder verfiel sie in Schweigen, und er verfluchte sich im Stillen dafür, dass er vorhin so schnell gefahren war.
Ellie seufzte und legte den Kopf an seine Brust. Es fühlte sich so schön an, sie im Arm zu halten. In den letzten Wochen hatte er sich oft vorgestellt, sie so zu halten, und er spürte, wie heißes Verlangen ihn durchströmte. Doch das war jetzt nicht der richtige Moment für derartige Empfindungen.
Sie lehnte sich im Sitz zurück und strich sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Entschuldige“, sagte sie leise.
„Nein, ich muss mich entschuldigen. Dafür, dass ich so schnell gefahren bin.“
„Du konntest es ja nicht wissen.“
„Aber jetzt weiß ich es, und ich bitte dich um Verzeihung. Du musst wissen, dass ich nie mit Absicht so handeln würde, auch wenn ich mich manchmal wie ein Idiot benehme.“
Ihre Mundwinkel bogen sich kaum merklich nach oben, und sie blickte ihn beinahe liebevoll an. Sein Herz fing heftig an zu klopfen, und er stand verlegen auf.
„Komm, lass uns nach Hause fahren.“
7. KAPITEL
Im Wohnzimmer war es dunkel, bis auf das Flackern des Feuers im Kamin. Mark saß in seinem Lieblingssessel davor, ein Glas Whisky in der Hand. Außer dem Knistern des Holzes war kein Geräusch im Haus zu hören. Ellie war früh ins Bett gegangen, und so konnte er in Ruhe über die Ereignisse dieses Nachmittags nachdenken.
Schweigend waren sie nach Larkford zurückgefahren, aber es war kein unbehagliches Schweigen gewesen. Beide hatten sie ihren Gedanken nachgehangen.
Zu Hause hatte Mark die Einkäufe in die Küche getragen und Ellie vorgeschlagen, ein schönes heißes Bad zu nehmen. Beim Einräumen merkte er, dass er sich in seiner eigenen Küche nicht auskannte. Im welchem Schrank wurden denn die Nudeln aufbewahrt? Während er suchte, hörte er hinter sich Ellie mit nackten Füßen hereinkommen.
„Oben links“, sagte sie ruhig.
„Danke“, erwiderte er und verstaute die Spaghetti in dem angegebenen Schrank. Dann drehte er sich um. Ellie trug ein kurzes Hemd, und ihr Haar war nass. Ihr Gesicht schimmerte rosig, und ihre Augen strahlten. Noch nie hatte sie so bezaubernd ausgesehen.
Als sie auf ihn zukam, fing sein Herz an zu hämmern. „Danke für alles, Mark“, sagte sie und lächelte ihn warm an. Dann stellte sie sich vor ihm auf die Zehenspitzen und küsste ihn zart auf die Wange.
„Gute Nacht“, sagte sie leise und lief aus der Küche.
„Gute Nacht“, sagte er, als sie schon längst draußen war, und befühlte seine Wange. Jetzt vor dem Kamin berührte er noch einmal die Stelle, wo sie ihn geküsst hatte.
Wenigstens verstand er nun ihren traurigen Augenausdruck. Ellie war immer noch von dem Unfall traumatisiert. Kein Wunder, sie hatte mehr Leid erfahren, als er sich vorzustellen imstande war. Und doch hatte sie die Kraft gefunden weiterzuleben.
Er blickte auf die letzten zehn Jahre seines Lebens zurück. Wie selbstbezogen und feige er gewesen war. Nur weil seine Frau ihn enttäuscht hatte, ließ er keine andere mehr an sich herankommen. Statt an dieser traurigen Erfahrung zu wachsen, hatte er sich abgeschottet und hinter seiner Ironie versteckt.
Wie mutig war dagegen Ellie. Sie hatte ihren Schmerz durchlitten und war daran gewachsen. Ellie war vermutlich der stärkste Mensch, den er je kennengelernt hatte.
Er trank sein Whiskyglas aus und blieb noch eine ganze Weile sinnierend am Kamin sitzen.
Sei nicht so unbescheiden, dachte Ellie, während sie ihre morgendliche Runde durch den Garten machte. Wie sehr hatte sie sich in Barkleigh nach Ruhe und Freiraum gesehnt, und das war hier im Überfluss zu finden. Doch immer häufiger
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