Julia Extra Band 0330
sie aufgegeben?“
Sie schaffte es nicht, ihm zu antworten. Hastig murmelte sie eine unverständliche Entschuldigung, und blind vor Tränen lief sie zurück zur Verbindungstür, die in den Dienstbotentrakt führte. Nikos folgte ihr und hielt sie entschlossen am Arm fest. Dann ergriff er ihre Hand und sah erschrocken auf sie hinunter. Anschließend begutachtete er ihre andere Hand eindringlich und sah ihr schließlich direkt in die Augen.
„Die sind ja völlig zerschrammt!“
„Das kommt nur von der Gartenarbeit“, erklärte sie und wollte sich abwenden, doch Nikos hielt sie fest und strich mit den Fingern sachte über ihre Haut.
„Du solltest besser auf sie aufpassen.“ Seine Stimme klang liebevoll, viel zu liebevoll, und Julie brachte keinen Ton mehr heraus. „Du hattest immer sehr schöne Hände, weich wie Seide. Deine Berührungen waren so sanft …“
Sein Ton wurde heiser, und Nikos brach unschlüssig ab. Seine Selbstkontrolle drohte zusammenzubrechen, und sein Verstand schaltete sich allmählich aus.
„Nikos“, flüsterte Julie, der die Veränderung in seinem Verhalten nicht entgangen war. Und auch ihr fiel es schwer, der Versuchung zu widerstehen und nicht in seine Arme zu sinken. „Bitte, lass mich gehen!“
Es klang wie ein Flehen, und in Nikos’ Augen bewegte sich etwas. Sie waren allein, in diesem Haus, auf dieser Welt … und sie waren so dicht beieinander …
„Ich kann nicht“, sagte er schlicht und hielt ihren Blick gefesselt. Er sprach die Wahrheit für sie beide aus. „Ich kann dir nicht widerstehen.“ Sein Gesicht näherte sich ihrem. „Julie …“
Mit letzter Willenskraft riss Julie sich von ihm los, erschrocken über das, was gerade beinahe geschehen wäre. Auf dem Absatz machte sie kehrt und floh blindlings in die entgegengesetzte Richtung. Hinter ihr blieb Nikos wie angewurzelt stehen und sah ihr nach.
Um ein Haar hätte er sie geküsst! Wie konnte er es bloß so weit kommen lassen? Ganz einfach – er wollte Julie küssen. Er wollte ihre weichen Lippen an seinen spüren, den Duft ihrer Haut einatmen, sie schmecken.
Aber das durfte nicht sein. Julie gehörte seiner Vergangenheit an, endgültig, und dafür gab es gute Gründe. Es hatte Nikos vor vier Jahren so unendlich viel Kraft gekostet, sich Julie aus dem Kopf zu schlagen. Er musste immun gegen sie werden und sie als eine ganz normale Frau betrachten. Hübsch, ja, aber mehr auch nicht.
Und wie machte man sich unangreifbar? Nikos kannte da nur einen Weg: Man sah der Bedrohung direkt ins Gesicht und nahm den Stier bei den Hörnern. Angriff war noch immer die beste Verteidigung. Desensibilisierung hieß das Zauberwort. Was bei Krankheiten half, würde Nikos mit seinem zerstörerischen Verlangen nach Julie Granton wohl erst recht helfen!
Also musste er so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen, um den Mythos endlich zu entzaubern. Wenn der Umgang mit Julie zur Normalität wurde, da war Nikos sich sicher, dann konnte er auch ganz anders mit ihrer Anziehungskraft umgehen.
Heute würden sie damit beginnen, ein paar Stunden in geselligem Beisammensein zu erleben, und vielleicht reichte das bereits, um seine Gier nach Julie zu stillen.
7. KAPITEL
Fassungslos und zitternd stand Julie in dem kleinen Küchengarten und rang verzweifelt um ihre Fassung. Nikos hätte sie beinahe geküsst – einfach so! Und sie selbst wollte es zulassen, wollte sich ihm sogar noch an den Hals werfen. Zum Glück war aus dem Nirgendwo ein letztes Quäntchen Vernunft aufgetaucht und hatte sie zur Flucht bewegt.
Dem Himmel sei Dank!
Jetzt war sie in Sicherheit, Nikos wollte ihr nicht nachlaufen und war inzwischen bestimmt schon wieder auf dem Weg zurück in die Stadt. Er ließ sie allein. Vor einer ganzen Weile schon hatte sie das tiefe Dröhnen seines Wagens gehört und sich dann mit einem flauen Gefühl in der Magengegend an die Gartenarbeit gemacht.
Es gelang ihr, sich von Zweifeln und düsteren Vorahnungen abzulenken, aber nach zwei Stunden unerbittlichem Gewühle schmerzten ihr Rücken und ihre Gelenke. Die Kratzer und Risse in ihren Händen brannten wie Feuer, und die Schultern waren völlig verspannt.
Erschöpft kehrte sie ins Haus zurück, um sich zu waschen und Abendbrot vorzubereiten. Anschließend wollte sie fernsehen und dann zeitig ins Bett gehen. Und sie würde nicht daran denken, dass dieser Abend so einsam und sterbenslangweilig war wie all die Abende zuvor in diesem wunderbaren Haus.
Julie spürte Tränen hinter ihren
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