Julia Extra Band 0330
richtig, und sie schluckte. „Es ist wunderschön“, brachte sie etwas stockend heraus.
Ratlos sah er sie an, dann senkte er den Kopf und betrachtete den Wildwuchs der Pflanzen. „Das hier muss alles weg, und wir sollten stattdessen ein paar junge Bäume anpflanzen.“
Wir . Die Schmerzen in ihrer Brust wurden unerträglich. Es gab kein Wir , und es würde auch nie eines geben. Julie blinzelte die Tränen fort und hoffte, dass Nikos keinen Verdacht schöpfte. Es gelang ihr kaum noch, die Fassung zu wahren.
Ihm fiel auf, wie still sie war, doch er hatte nicht die geringste Ahnung, was in ihr vorging. „Es wird Zeit, sich einmal das Haus anzusehen“, sagte er geschäftig und machte sich auf den Weg zurück.
Spätestens drinnen fand Julie eine treffende Antwort auf seine Frage. Er hatte sogar sehr gut daran getan, dieses Landhaus zu kaufen. Auch wenn es beinahe eine Ruine war, konnte es in absehbarer Zeit wieder zu neuem Leben erweckt werden – schöner und authentischer als jemals zuvor. Über die notwendigen finanziellen Mittel verfügte er ja, und etwas Besseres konnte so einem alten Gemäuer gar nicht passieren.
Es besaß unbestreitbar elegante Proportionen und einen hübschen, durchdachten Ausbau. Stuck an der Decke, eine handgearbeitete Wendeltreppe und opulente, angelaufene Lüster waren Zeitzeugen guten Geschmacks.
„Na, was denkst du?“
Julie stand in der Tür und ließ die Eingangshalle auf sich wirken. Aus dieser Perspektive hatte sie den Raum noch nie betrachtet.
„Wundervoll“, flüsterte sie ehrfürchtig.
Staunend legte sie den Kopf in den Nacken und merkte nicht, dass Nikos’ Aufmerksamkeit sich voll und ganz auf sie richtete.
Er begutachtete ihre schlanke Gestalt – umrahmt von Sonnenstrahlen, die durch die geöffnete Eingangstür fielen –, und sein Körper verzehrte sich nach ihr. Julie war bildhübsch, ohne Makel und so bezaubernd, dass man von ihr einfach überwältigt sein musste.
Wie gelang ihr das bloß? Mit welchem Trick fesselte sie ihn so sehr, dass er alles andere um sich herum vergaß?
Nikos schenkte den Alarmglocken in seinem Kopf keinerlei Beachtung, sondern ließ seinen Gefühlen, die er jahrelang tief in sich verschlossen hatte, freien Lauf.
„Kannst du dir diesen Ort als Hotel vorstellen?“, fragte er.
Es dauerte eine Weile, bis Julie ihre Gedanken gesammelt hatte. „Eigentlich nicht“, antwortete sie langsam und rieb sich die Stirn. „Wer hat hier eigentlich gewohnt?“
„Eine alte Witwe. Sie heiratete den Besitzer und lebte hier fünfzig Jahre mit ihm, bevor er starb. Schließlich erbte ihr Neffe und wollte alles verkaufen.“
„Fünfzig Jahre?“ Eine so lange Ehe! So lange gemeinsam in diesem wunderschönen Haus. Schmerz und Neid gruben sich tief in Julies Empfindungen. Dieses Paradies blieb ihr verwehrt, und das tat entsetzlich weh. „Ich bin sicher, es kann leicht zu einem Hotel umgebaut werden“, antwortete sie ausweichend.
„Dazu muss es sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail restauriert werden“, erwiderte Nikos und sah sich prüfend um. „Der historisch versierte Architekt, den ich engagieren will, sollte eigentlich heute Nachmittag für eine Besichtigung vorbeikommen, aber er konnte den Termin nicht wahrnehmen und wird nun erst morgen anreisen. Ich übernachte in der Pension im Dorf. Schließlich lebst du gerade im einzig bewohnbaren Teil dieses Gebäudes.“
Verwirrt starrte sie ihn an. „Oh.“ Mehr brachte sie nicht hervor, und es dauerte ein paar Sekunden, ehe Julie ihre Beine dazu bringen konnte, sich wieder vorwärtszubewegen. Während sie Nikos in das Musikzimmer folgte, jagten Bilder durch ihren Kopf, wie sie beide zusammen hier residierten …
Nikos zeigte auf den Flügel. „Über diese Entdeckung hast du dich sicher gefreut, nicht wahr? Obwohl er ziemlich verstimmt sein dürfte.“ Seine Freude und Ermunterung schienen echt zu sein.
Doch davon wollte Julie sich nicht beeindrucken lassen. „Ich habe keine Ahnung.“
„Bitte? Du konntest doch wohl nicht widerstehen, darauf zu spielen?“
„Ich spiele überhaupt nicht mehr.“
Der verkrampfte Zug um ihren reizvollen Mund gab ihm zu denken. „So viel zu der begabten Musikstudentin“, bemerkte er leise.
Ihre Kehle wurde trocken und schmerzte vor Anstrengung, die aufkommenden Tränen hinunterzuschlucken. Sich von ihrem Piano zu trennen, war für Julie fast schlimmer gewesen, als das Haus zu verkaufen.
„Ich dachte, die Musik bedeutet dir so viel. Warum hast du
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