Julia Extra Band 0331
wiederzubeleben.“
Rodrigo musterte sie von Kopf bis Fuß, wobei er sich viel Zeit nahm. „Möglicherweise ist dein Anblick noch wirkungsvoller …“, meinte er nachdenklich. „Aber Kaffee klingt gut. Gib mir ein paar Minuten, und ich bin unten.“
Rodrigo bestand darauf, sich an seinem sogenannten „freien Tag“ im Haus nützlich zu machen, und Jenny versuchte gar nicht erst, sein Hilfsangebot abzulehnen. Abgesehen davon, dass jeder Widerspruch ohnehin zwecklos gewesen wäre, lagen tatsächlich einige dringende Reparaturarbeiten an. Außerdem konnten sie sich nicht in die Haare geraten, solange er beschäftigt war.
Dass er sich jedoch als begnadeter Heimhandwerker entpuppen würde, war, milde ausgedrückt, eine Überraschung.
Er rollte das vom Regen ruinierte Linoleum im Wirtschaftsraum auf, reparierte die defekten Jalousien in einem der Gästezimmer und ölte die quietschende Tür der Speisekammer, als hätte er nie etwas anderes getan. Wer hätte vermutet, dass dieses verschwitzte Bild von einem Mann in verblichenen Jeans und schwarzem T-Shirt einer der vermögendsten Hoteliers der Welt war, der in Armani-Anzügen und imposanten Konferenzsälen zu Hause war?
Der Regen trommelte unvermindert aufs Dach, als Jenny ihn zum Mittagessen rief. Würde dieses Unwetter denn nie enden?
Rodrigo betrat genau in dem Moment die Küche, als Jenny ein heftiges Frösteln überlief.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Stirnrunzelnd musterte er ihr blasses Gesicht.
„Aber ja, es geht mir gut. Es ist nur gerade jemand über mein Grab gelaufen.“
Ein alarmierter Ausdruck trat in seine Augen. „Was meinst du damit?“, fragte er erschrocken.
Jenny schüttelte den Kopf und rang sich ein Lächeln ab. „Nichts, das ist bloß eine Redensart, nichts weiter. Setz dich, du musst ja vor Hunger fast umfallen. Es gibt nur Chili con carne und gebackene Kartoffeln, aber es ist heiß und nahrhaft.“
Der Duft, der vom Herd zu ihm herüberwehte, löste ein unüberhörbares Knurren in Rodrigos Magen aus. „Glaub mir, es ist mehr als willkommen“, versicherte er ihr.
„Ich wusste gar nicht, dass du handwerklich dermaßen begabt bist“, bemerkte Jenny, als er sich mit einem tiefen Seufzer auf einen Stuhl fallen ließ.
„Mein Onkel war Zimmermann, und ich bin als Teenager oft bei ihm gewesen“, klärte er sie auf. „Er hat mir vieles beigebracht. Unter anderem auch, dass es gut ist, wenn ein Mann seine Hände zu gebrauchen weiß.“
Jenny brachte die Kartoffeln und das Chili an den Tisch und füllte ihm eine reichliche Portion auf den Teller, bevor sie sich selbst bediente. „Aber dein Vater wollte, dass du Geschäftsmann wirst.“
„Ganz recht, das wollte er.“
Sie betrachtete ihn nachdenklich. „Wärst du stattdessen lieber Zimmermann geworden wie dein Onkel?“
Rodrigo, der sich gerade über sein Essen hermachen wollte, ließ die Gabel wieder sinken. „Vielleicht war das eine Zeit lang so“, räumte er ein, „aber dann wurde ich realistischer. Zumindest was das Geld verdienen betrifft.“
Jenny setzte sich ihm gegenüber. Eine Weile widmeten sie sich schweigend ihrer Mahlzeit, während ihr Blick immer wieder an Rodrigos muskulösen Oberarmen hängen blieb.
„Vermisst du eigentlich manchmal deinen Bruder?“, erkundigte er sich unvermittelt.
Sie presste kurz die weichen Lippen zusammen. „Nein“, gab sie unumwunden zu. „Du weißt ja selbst, was für ein chaotisches Leben er geführt hat, und als ich nach England zurückkam, war er an einem absoluten Tiefpunkt. Seine Schulden hatten ein unüberschaubares Ausmaß angenommen, und er war der Meinung, dass ich für deren Begleichung zuständig wäre.“
Überrascht zog Rodrigo die dunklen Brauen hoch. „Wieso denn das?“
Jenny seufzte. „Wahrscheinlich, weil ich mich nach dem Tod unserer Eltern um ihn gekümmert habe und er glaubte, dass das bis in alle Ewigkeit so bleiben würde. Außerdem fühlte er sich mir gegenüber benachteiligt, weil ich beruflich gut vorankam, während er aus jedem Job, den er anfing, nach kurzer Zeit wieder gefeuert wurde.“ Sie hielt inne und starrte für einen Moment blicklos vor sich hin. „Na ja, wie auch immer. Am Ende habe ich ihm seinen Anteil an unserem Elternhaus ausgezahlt, und er ist mit einem Mädchen, dass ihn für den tollsten Kerl aller Zeiten hielt, nach Schottland gezogen.“
„Du hast also nichts mehr von ihm gehört?“
„Nein“, erwiderte sie kurz angebunden.
Und sie wollte es auch nicht. Tim hatte
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