Julia Extra Band 0331
seine Heilkünste nahm, wusste er nicht, zumal ihm die Angst um sie fast die Kehle zuschnürte.
„Es ist so heiß …“, flüsterte sie und bewegte unruhig den Kopf von einer Seite zur anderen. „Ich brauche etwas … Wasser …“
„Sofort, querida mía …“ Rodrigo griff nach der Karaffe auf dem Nachttisch und füllte das daneben stehende Glas. Dann schob er eine Hand unter ihren Kopf und führte mit der anderen das Glas an ihre Lippen.
Sie trank so gierig, dass einige Tropfen danebengingen und ihr übers Kinn rannen. Schließlich öffnete sie weit die großen blauen Augen und sah Rodrigo mit einer Mischung aus Verlegenheit und Dankbarkeit an. „Du … brauchst das nicht zu tun …“, wisperte sie kaum hörbar.
Rodrigo erwiderte lächelnd ihren Blick. „Was sollte ich in einer Nacht wie dieser sonst tun, Jenny Wren? Außerdem bist du sehr krank, und ich bin weit und breit der einzige Mensch, der sich um dich kümmern kann.“
„Aber du … du bist nicht mehr für mich verantwortlich.“ Sie biss sich auf die Lippe, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Rede keinen Unsinn“, tadelte er sie sanft. „Ruh dich einfach aus und versuch, dich zu entspannen. Das ist alles, was du im Augenblick tun kannst.“
Er ging zurück ins Badezimmer und suchte im Spiegelschrank nach einem Medikament gegen Grippe und Fieber. Der Arzt hatte ihm geraten, Jenny nach Möglichkeit etwas davon zu geben. Schließlich wurde er fündig, doch es war nicht ganz einfach, Jenny die Kapseln zu verabreichen.
Ihr ganzer Körper schlotterte förmlich, was ein Anzeichen dafür war, dass das Fieber noch immer stieg. Wenn die Tabletten erst wirken, wird es sicher besser, sagte Rodrigo sich, doch es fiel ihm zunehmend schwerer, seine Angst um sie im Zaum zu halten. Sollte ihr Zustand sich noch weiter verschlechtern, würde er dafür sorgen, dass dieser verdammte Idiot von Notarzt den Tag bereute, an dem er geboren war!
Energisch drängte er seine dunklen Vorahnungen beiseite und überredete Jenny, die Pillen mit etwas Wasser zu schlucken. Als sie es endlich geschafft hatte, sank sie erschöpft in die Kissen zurück und schloss die Augen. Einige Minuten später schlief sie tief und fest.
Rodrigo stieß einen erleichterten Seufzer aus und ging hinunter in die Küche, wo er von einem herzerweichenden Miauen empfangen wurde. Lächelnd beugte er sich hinunter und hob das flauschige Häufchen Elend hoch, das sich ängstlich gegen seine Knöchel drückte. Die arme Cozette war durch das Gewitter sichtlich verstört, und so nahm Rodrigo sich einen Moment Zeit, um ihr gut zuzureden und ihr sanft das Fell zu kraulen, bevor er sie in ihr Körbchen neben dem Herd setzte.
Prüfend ließ er den Blick durch den Raum schweifen und stellte zufrieden fest, dass alles war, wie es sein sollte. Nachdem er das Licht in der Küche und den anderen unteren Räumen gelöscht hatte, machte er sich wieder auf den Weg nach oben.
Aus seinem Zimmer holte er sich einige Papiere für das Meeting, dass er auf morgen verschoben hatte, dann kehrte er zu Jenny zurück. Er machte sich zu große Sorgen um sie, um sie während der Nacht allein zu lassen.
Rodrigo sah sofort, dass sie tief und friedlich schlief, dennoch legte er kurz das Ohr auf ihre Brust, um sich zu vergewissern, dass sie normal atmete. Eine überaus leichtsinnige Aktion, die er auf der Stelle bereute. Der süße Duft ihrer Haut in Kombination mit der weichen, verführerischen Wölbung unter seiner Wange entfachte eine so brennende Begierde in ihm, dass er beinah vergaß, wie krank sie war.
Abrupt richtete er sich wieder auf und betrachtete mit stoischem Blick den gepolsterten Rattanstuhl, in dem er die Nacht zu verbringen gedachte. Sonderlich bequem wirkte er gerade nicht, aber er hatte ohnehin nicht die Absicht zu schlafen.
Man musste kein Arzt sein, um zu sehen, dass Jenny sich in einem kritischen Zustand befand. Er würde all seine Sinne beisammenhalten müssen, um jederzeit für sie da zu sein. Außerdem musste sie in vier Stunden wieder ihre Tabletten einnehmen, und davor würde er sie noch einmal mit lauwarmem Wasser abreiben, um ihre Temperatur zu senken.
Eine Viertelstunde später ließ Rodrigo seine Papiere in den Schoß sinken und starrte eine Weile blicklos vor sich hin. Sein Widerstreben, dem Inhalt der eng bedruckten Seiten seine Aufmerksamkeit zu schenken überraschte ihn kaum. Sein ganzes Denken und Fühlen war auf Jenny ausgerichtet, die sich unruhig von einer Seite auf die
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