Julia Extra Band 0331
geschickt und pragmatisch, wie er ihr das feuchte Nachthemd ausgezogen hatte, streifte er ihr ein frisches über den Kopf, während Jenny nach und nach in die Realität zurückkehrte. Vor dem Fenster zuckten Blitze am nächtlichen Himmel, begleitet von grollendem Donner. Offenbar hatte das hartnäckige Unwetter noch nichts von seiner Kraft verloren.
Ein Gefühl wohliger Sicherheit breitete sich in Jenny aus, während die Elemente draußen weiter tobten. Sie war einfach zu schwach, um sich gegen Rodrigos Hilfe zu wehren. So blieb ihr nur die Hoffnung, dass sie am Morgen über das Schlimmste hinweg war und sich wieder selbst um sich kümmern konnte. Bis dahin hatte sie keine Wahl, als ihrem Exmann das Ruder zu überlassen.
Kraftlos ließ sie den Kopf gegen die Kissen sinken und lauschte mit geschlossenen Augen dem hypnotischen Klang seiner heiseren, samtigen Stimme, die etwas sang, was ihr wie ein spanisches Schlaflied erschien.
4. KAPITEL
Von einem Augenblick zum anderen schlug Jennys tröstlicher Traum von dem Mann mit den heilenden Händen und der Stimme wie Honig in einen Horrortrip um.
Es war völlig dunkel, bis auf die kleinen Flammen, die wie bösartige Zungen an dem schmalen Spalt unter der Tür leckten. Jennys Puls raste. Sie konnte nicht mehr atmen. Erfüllt von der Panik, sterben zu müssen, formten ihre Lippen unzusammenhängende Worte, mit denen sie verzweifelt um Hilfe flehte.
Starke Finger schlossen sich um ihre Handgelenke und beschworen sie, sich zu beruhigen, damit sie sich nicht selbst verletzte. Es ist alles in Ordnung , versicherte ihr die körperlose Stimme. Es gibt nichts, was dir Leid zufügen kann, dafür werde ich sorgen …
Plötzlich wurde es hell, und das schmale, ernste Gesicht des Renaissance-Manns schwebte direkt über ihrem. In seinen wunderschönen dunklen Augen, die mit unerschütterlicher Ruhe ihren gehetzten Blick erwiderten, las Jenny das Versprechen, das er mit allem, was sie beängstigte, fertig würde, was immer es auch sei. Nach und nach legte sich die Panik, und das Bewusstsein für ihre tatsächliche Umgebung kehrte zurück.
„Es ist alles gut, Kleines“, sagte Rodrigo sanft. Sein Blick und seine Stimme waren wie eine warme, Trost spendende Decke in einer rauen Winternacht. „Du hattest einen schlimmen Albtraum, aber jetzt ist er vorbei. Du liegst sicher in deinem Bett, und nichts kann dir etwas anhaben.“
„Ein Albtraum …? Ich …“
„Nein, beweg dich nicht. Ich bin gleich zurück.“
Sekunden später saß er neben ihr auf der Bettkante und begann wortlos, ihr das Gesicht, den Nacken und die Schultern mit dem Waschlappen abzureiben. Dabei lächelte er ihr aufmunternd zu, während ihr benommener Blick mit seinem verschmolz.
„Du hast immer wieder Feuer geschrien“, bemerkte er nach einer Weile. Weder sein Tonfall noch sein Gesichtsausdruck veränderten sich dabei. Ruhig und methodisch fuhr er fort, ihre vor Fieber glühende Haut zu kühlen.
„Ich habe diesen Traum schon lange nicht mehr gehabt.“ Ein heftiger Schauer überlief Jenny, als sie versuchte, die Nachwirkungen des Entsetzens abzuschütteln, das sie noch immer wie ein dünnes, unsichtbares Netz gefangen hielt. Sie wollte endlich wieder gesund sein! Es war unerträglich, sich so schwach und wehrlos zu fühlen. Aber stärker noch als der Wunsch, sich von ihrer Krankheit zu befreien, war die Sehnsucht nach einem Menschen, der zu ihr gehörte. Jemand, auf den sie sich bedingungslos verlassen konnte.
Was sagte es über ihr Leben aus, dass sie jetzt, da sie so hilfsbedürftig war wie noch nie, auf den Mann angewiesen war, für den sie immer nur eine lästige Verpflichtung gewesen war? War das die Strafe für all die Fehlentscheidungen, die sie getroffen hatte?
Sie war es so müde, Angst zu haben. Ständig darauf zu warten, dass das nächste Desaster eintrat und wieder alles zerstörte, worauf sie sich verlassen hatte. Es kam Jenny vor, als würde sie schon seit ewigen Zeiten am Rande eines Abgrunds wandeln, in den sie jeden Moment stürzen konnte, und sie wusste nicht, wie lange sie das noch ertragen konnte.
Sie wollte endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen haben!
„Hast du eine Ahnung, warum du diesen furchtbaren Albtraum hattest?“
Als Rodrigo den kühlen Waschlappen auf ihr Schlüsselbein legte, erschauerte Jenny erneut. „Das … das Haus ist abgebrannt …“ Sie schluckte hart und fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. „Ich habe alles verloren … die
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