Julia Extra Band 0331
andere drehte.
Wer hätte gedacht, dass er einmal ein solches Engagement für seine geschiedene Frau an den Tag legen würde!
Wenn sie wieder gesund war, würde sie zweifellos einen ironischen Kommentar dazu abgeben. Schließlich war sie fest davon überzeugt, dass ihm jede Bereitschaft fehlte, sich um irgendetwas anderes als um sich selbst zu kümmern.
Während ihrer kurzen Ehe hatte sie sich zahllose Male darüber beklagt, dass er zu beschäftigt mit seiner Arbeit wäre, um genug Zeit mit ihr zu verbringen. Irgendwann hatte Rodrigo dann der Tatsache ins Auge sehen müssen, dass er als Ehemann ein Versager war.
Seine Mutter hatte immer gehofft, dass ihr einziger Sohn eines Tages eine liebevolle Frau finden, einen Haufen Kinder haben und sich an einem Ort niederlassen würde, an dem er sich wohlfühlte – vorzugsweise in Andalusien, wenn es nach ihr gegangen wäre. Sein Vater dagegen hatte ganz andere Pläne mit ihm. Von Anfang an hatte Benito Martinez den kleinen Rodrigo für eine erfolgreiche Karriere als Geschäftsmann gerüstet. Er hatte ihm diese Idee förmlich eingehämmert und ihm keine Chance gelassen, andere Alternativen zu erwägen.
Als junger Mann hatte Benito versucht, ein Bauunternehmen aufzubauen, aber das ehrgeizige Unternehmen war gescheitert. Er hatte einige finanzielle Fehlentscheidungen getroffen und dabei seine gesamten Ersparnisse verloren, was er als tiefe Schande betrachtete. Die einzige Hoffnung, die ihm noch geblieben war, war sein Sohn. Mit der Zeit hatte er sich immer mehr in den Gedanken verbissen, dass Rodrigo um jeden Preis erreichen musste, was ihm nicht gelungen war. Dann würde er, Benito, endlich wieder mit Stolz im Dorf verkünden können, dass der Name Martinez etwas bedeutete.
Die Konsequenz daraus war, dass Rodrigo im Grunde genommen nie sein eigenes Leben gelebt hatte. Wie so viele Söhne verbitterter Väter war auch er von frühester Jugend an dazu verurteilt gewesen, einem Traum nachzujagen, der nicht sein eigener war.
Verstörende Bilder und Gefühle rasten durch Jennys Kopf. Und alle drehten sich um einen Mann, der aussah, als wäre er einem Renaissance-Porträt entsprungen. Unergründliche, seelenvolle Augen, schimmerndes blauschwarzes Haar und ein himmlisch geschnittener Mund.
Sein schönes Gesicht verfolgte sie, seine warme Stimme mit dem verlockenden Akzent entführte sie in ein Land, das geprägt war von heißer Sonne, plätscherndem, mediterranem Wasser und dem Echo eines uralten Trommelschlags, der seit Jahrtausenden den Herzschlag seiner Bewohner begleitete. Der Renaissance-Mann hatte starke, muskulöse Arme, die sie an jeden Ort tragen konnten, den sie sich wünschte. Sie bedeuteten Sicherheit, Geborgenheit und noch etwas anderes … etwas Bedeutendes, für das sie kein Wort hatte, aber sie wusste, dass es die Antwort auf ihre tiefste Sehnsucht war.
Manchmal schüttelte ein heftiger Husten ihren Körper und riss sie vorübergehend aus ihrem unruhigen Schlaf. Dann richteten die Arme, von denen sie geträumt hatte, sie liebevoll auf, und eine warme, kräftige Hand hielt ihr ein Glas mit wunderbar kühlem Wasser an die ausgetrockneten Lippen.
So wie in diesem Moment.
Mit zitternden Fingern umschloss sie das Glas, griff ein wenig zu fest zu und spürte, wie das Wasser über ihre Brust lief. Auf ihrer heißen Haut fühlte es sich an, als würde sich eine Stahlklinge in ihr Fleisch bohren. Erschrocken schnappte sie nach Luft und riss weit die Augen auf.
„Oh nein, was habe ich getan!“
„Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest, querida , und nichts, was sich nicht leicht wieder in Ordnung bringen ließe. Warte … ich helfe dir, das Nachthemd auszuziehen, dann bringe ich dir ein Handtuch und etwas Trockenes zum Anziehen.“
Während Jenny noch mühsam versuchte, sich zu orientieren, zog Rodrigo ihr das nasse Nachthemd über den Kopf und verschwand im Bad. Zu benommen, um sich daran zu erinnern, dass er sie bereits nackt gesehen hatte, verschränkte sie die Arme vor ihren Brüsten. Sie zitterte wie Espenlaub, und die Kombination aus Fieber, Kälte und der Qual, sich nicht selbst helfen zu können, trieb ihr heiße Tränen in die Augen.
Rodrigo kehrte im Nu zurück und legte ihr ein großes, nach Lavendel duftendes Handtuch um die Schultern.
„Danke“, murmelte sie, konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, ihm in die Augen zu sehen.
„Wo finde ich deine Nachthemden?“
„In der Kommode da drüben. Zweite Schublade von unten.“
So
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