Julia Extra Band 0331
willst du sicher so bald wie möglich aufbrechen“, platzte Jenny heraus, bevor sie es verhindern konnte. Vermutlich war ihm das verdächtige Beben in ihrer Stimme nicht entgangen, aber egal, jetzt war das heikle Thema wenigstens auf dem Tisch.
Als Rodrigo langsam auf sie zukam, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Keine Sorge, Jenny, spottete eine Stimme in ihrem Kopf. Er wird bestimmt nicht versuchen, dich zu küssen.
„Du bist alles andere als gesund“, stellte er fest, nachdem er ihr, wie so oft in den letzten Tagen, prüfend die Hand auf die Stirn gelegt hatte. „Du hast immer noch etwas Temperatur, und außerdem siehst du aus, als könnte dich schon ein kleiner Luftzug umpusten.“
„Aber ich fühle mich wirklich schon viel besser.“ Verflixt, ihre Stimme klang so piepsig, als wäre sie gerade einmal vier Jahre alt!
„Mag sein“, räumte er ein. „Nur dürfte es kaum reichen, um der Arbeit hier gerecht zu werden. Heute ist Freitag …“ Er hielt einen Moment inne, als würde er im Geiste seinen Terminkalender durchgehen. „Ich würde sagen, wir warten bis Montag ab, um sicherzugehen, dass du wieder voll einsatzfähig bist, wenn ich gehe.“
Sie hatte also noch drei Tage Galgenfrist, bevor der gefürchtete Moment da war. „Ich glaube nicht, dass das nötig ist“, widersprach sie halbherzig.
Statt einer Antwort zog er nur die Brauen hoch, was ihn so verteufelt sexy aussehen ließ, dass Jenny am liebsten ergriffen geseufzt hätte. Warum war er nicht hässlich wie die Nacht oder hatte wenigstens Mundgeruch oder einen unappetitlichen Hautausschlag?
„Was ich dich übrigens fragen wollte …“ Sie räusperte sich und versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. „Hat es in den letzten Tagen irgendwelche Anmeldungen gegeben?“
Er nickte. „Ein Ehepaar aus New Jersey und eine Frau aus Edinburgh. Sie werden Ende des Monats anreisen, die Details habe ich im Reservierungsbuch notiert.“
„Das ist ja wunderbar. Lily wird dir ewig dankbar sein, wenn sie erfährt, wie du hier den Laden geschmissen hast.“ Jennys Blick ging zum Fenster und ruhte eine Weile auf dem friedlich daliegenden Garten, in dessen Wiederherstellung er so viel Zeit und Anstrengung gesteckt hatte.
„Hör zu, Rodrigo, deine Großzügigkeit in allen Ehren, aber …“ Sie biss sich auf die Lippe und zwang sich, ihn wieder anzusehen. „… ich kann dich das unmöglich alles umsonst machen lassen.“
Er seufzte ungeduldig. „Ich dachte, wir hätten dieses Thema längst abgehakt.“
Bevor sie etwas einwenden konnte, drängte sich Cozette mit einem leisen Miauen durch den Türspalt. Mit einem geschmeidigen Satz sprang sie aufs Sofa und begann sofort zu schnurren, als Jenny ihr über das weiche gestreifte Fell strich.
„Na, meine Süße, wie ist es dir ergangen? Hast du mich vermisst?“
Da war sie wieder – diese lockende, verführerische Stimme, die zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk Rodrigos Libido weckte. Als die Katze genießerisch die Augen schloss und sich in Jennys Armbeuge kuschelte, schüttelte er grinsend den Kopf. „Verräterin“, schimpfte er liebevoll und ging in die Knie, um seiner abtrünnigen kleinen Freundin den Kopf zu kraulen.
Jenny sah ihn erstaunt an. „Wieso denn Verräterin?“
„Weil sie mich in den letzten Tagen umgarnt hat, als wäre ich der Nabel der Welt für sie. Bei jeder Gelegenheit hat sie versucht, mir Streicheleinheiten abzuschmeicheln und mir dabei schmachtende Blicke zugeworfen. Aber jetzt sehe ich, dass sie nur mit meinen Gefühlen gespielt hat. Na ja, was soll’s …“ Rodrigo gab einen bedauernden Seufzer von sich. „Ich hätte eben wissen müssen, dass sie genauso berechnend ist wie alle weiblichen Wesen.“
Natürlich war es nur ein Scherz, aber dennoch konnte Jenny ihm seine letzte Bemerkung nicht widerspruchslos durchgehen lassen. „Nicht alle Frauen sind berechnend, Rodrigo“, tadelte sie ihn mit einem gespielt gouvernantenhaftem Tonfall und erwiderte dabei tapfer seinen Blick.
Beinah sofort verschwand der spöttische Ausdruck aus seinen Augen, und Jenny kam es vor, als würde sie mit beängstigender Geschwindigkeit ins Nichts fallen. Als Rodrigo ihre Hand nahm und gegen seine raue Wange legte, hielt sie unwillkürlich den Atem an.
„Das weiß ich doch, querida “, versicherte er ihr mit samtweicher Stimme. „In Wahrheit bin ich nur rasend eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die du Cozette widmest. Ich befürchte nämlich, dass nichts mehr für
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