Julia Extra Band 0332
nichts passiert.“ Maya brachte sogar ein Lächeln über die Lippen. Zu ihrer großen Enttäuschung gab Brad ihre Hand frei, um Tom zu begrüßen.
„Sie vermisst mich einfach zu sehr – mir geht es ja nicht anders. Tom, darf ich dir Maya Hayward vorstellen? Wie ich Lottie gestern am Telefon erklärt habe, wird sie die nächsten Wochen bei uns wohnen, um mir bei meinem neuen Stück zu helfen. Ist ihr Zimmer fertig?“
„Lottie wäre nicht Lottie, wenn sie nicht alles bestens im Griff hätte. Sogar der Tee ist schon fertig.“
„Dann gehen wir direkt in die Küche. Bringst du bitte die Koffer ins Haus? Danke, Tom.“
Auch von innen gefiel Maya das Anwesen genau so gut wie von außen. Die Räume waren großzügig geschnitten, bequem möbliert, und die Gemälde und Sammlerstücke zeugten von erlesenem Geschmack und Kunstverstand. Am meisten jedoch beeindruckte Maya die wohnliche Atmosphäre. Hier fühlte man sich sofort zu Hause, nichts erinnerte an die unordentlichen, lieblos eingerichteten Wohnungen, in denen sie ihre Kindheit verbracht hatte. Statt Chaos und einem ständigen Kommen und Gehen herrschte in Hawks Lair eine friedvolle Stimmung, die sie als wunderbar wohltuend und entspannend empfand.
Die Küche war ein großer, hoher Raum und ebenso gepflegt und ordentlich, wie hier alles zu sein schien. Die alten, schweren Eichenmöbel besaßen eine wunderschöne Patina und dufteten nach Honigwachs. In einer riesigen Vitrine mit blank geputzten Glasscheiben entdeckte sie ein wunderbar altmodisches Geschirr in Blau und Weiß.
Die Frau mit der groß geblümten Schürze musste Lottie sein, der diese vorbildliche Haushaltsführung zu verdanken war. Sie strahlte übers ganze Gesicht.
„Endlich sind Sie wieder da, es wurde ja auch höchste Zeit! Ich dachte schon, Ihre Triumphe in London seien Ihnen zu Kopf gestiegen und Sie hätten vergessen, wo Sie wirklich hingehören.“ Liebevoll schloss sie Brad in die Arme und gab ihm einen mütterlichen Kuss auf die Wange.
Einerseits fand Maya die Szene befremdlich – immerhin war Brad Lotties Arbeitgeber – zugleich war sie jedoch ausgesprochen neidisch. Wie schön musste es sein, nach Hause zu kommen und begrüßt zu werden, als hätte man sie sehnsüchtig erwartet. In ihrem ganzen Leben war sie noch nicht so empfangen worden.
Zu ihrem Entsetzten fühlte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Was war nur los mit ihr? Sie musste sich unbedingt zusammenreißen, Brad würde sie sonst noch für eine hysterische Heulsuse halten.
„Und Sie müssen Miss Hayward sein.“ Lottie hatte Brad freigegeben und drückte ihr herzlich die Hand.
„Nennen Sie mich doch bitte einfach Maya“, bat Maya schüchtern.
„Was für ein wunderschöner Name, wie für Sie geschaffen!“ Lottie war regelrecht begeistert.
„Bevor ich Maya ihr Zimmer zeige, hätten wir gern einen Tee.“ Brad forderte Maya auf, an dem großen Tisch Platz zu nehmen, und setzte sich ebenfalls. „Wie ich dich kenne, steht er schon bereit.“
Lottie lachte nur, und im Nu hatte sie eingedeckt und eine schöne alte Teekanne und selbst gebackene Kekse auf den Tisch gezaubert. „Lassen Sie es sich schmecken! Falls Ihnen der Tee zu stark ist, heißes Wasser steht auf dem Herd. Ich werde mich jetzt mit Tom um die Koffer kümmern.“ Damit war sie verschwunden.
Vorsichtig nippte Maya an dem heißen Tee und genoss das Schweigen, das plötzlich herrschte. Es gab ihr Gelegenheit, wieder zu sich selbst zu finden – nur musste sie sich hüten, den Blick in Richtung Brad schweifen zu lassen …
„Ihre … deine Haushälterin scheint eine ausgesprochen sympathische und warmherzige Frau zu sein“, meinte sie schließlich nachdenklich.
„Das scheint nicht nur so, sie ist wirklich die gute Seele dieses Hauses. Sie hat mich schon von klein an bemuttert, und ein erwachsener Mann werde ich in ihren Augen wohl nie werden.“
Dann musste Lottie blind sein. Verstohlen musterte Maya Brads männlich markantes Gesicht mit den tief blauen Augen, die breiten Schultern und muskulösen Arme, die sich unter seinem tadellos sitzenden Jackett deutlich abzeichneten.
„Wann sind deine Eltern denn gestorben?“, fragte sie, weil es sie wirklich interessierte.
„Vor zehn Jahren … eigenartig, es scheint mir eher wie gestern.“ Gedankenverloren blickte er in seine Teetasse. „Sie waren Schauspieler und auf Tournee in Österreich, als ihr Zug kurz vor Wien entgleiste. Meine Eltern und der Schaffner waren die einzigen
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