Julia Extra Band 0332
Retter in der Not gespielt hast, hätte man Nancie entführen können!“
„Was sagst du da?“ Er rieb sich das Gesicht und fluchte leise. „Du hast recht, ich bin ein Idiot. An so etwas habe ich gar nicht gedacht. Ich kenne mich mit Babys überhaupt nicht aus.“
„Ach nein?“ May klang ausgesprochen ironisch. „Und jetzt lass mich raten: Du kommst zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder zu mir, weil du einen Babysitter brauchst. Richtig?“
„Oh, vielen Dank für das Angebot. Saffy war sich sicher, dass du uns helfen wirst.“
„Hat sie das gesagt?“ May blickte auf das hilflose kleine Geschöpf und schwor sich, auf solche Manipulationsversuche nicht hereinzufallen. „Ich habe übrigens kein Angebot gemacht, sondern nur eine Tatsache festgehalten“, stellte sie richtig und ging los. „Wo ist Saffy denn?“
„Verreist“, antwortete er ausweichend. „Sie nimmt sich eine Auszeit und hat Nancie mir überlassen.“
„Mich brauchst du nicht um Hilfe zu bitten, weil ich absolut nichts von Babys verstehe“, warnte May ihn.
„Echt nicht? Ich dachte, Frauen können das von Natur aus.“ Er schob den Buggy neben ihr her.
„Was für eine dumme Annahme“, entgegnete sie verächtlich.
Dabei sehnte sie sich danach, das Baby aus dem Wagen zu nehmen und an sich zu drücken. Wie es aussah, würde sie selber nie heiraten und Kinder bekommen. Womöglich beugte sie sich in zehn Jahren über Kinderwagen und begeisterte sich für fremde Babys, so wie die verzweifelt wirkende Frau vorhin …
„Könntest du Nancie nicht als eins von den hilflosen Wesen ansehen, die du immer rettest?“, erwiderte Adam schmeichelnd und berührte mit dem Finger das Kätzchen, das sie trug. „Denen ist deine Pflege gut bekommen, soweit ich mich erinnere.“
„Nancie ist kein verletzter Vogel, verirrter Hund oder ängstliches Kätzchen!“
„Das Prinzip ist aber doch dasselbe: füttern, warm halten und trocken legen.“
„Siehst du, du weißt, wie man mit kleinen Kindern umgeht“, rief May triumphierend. „Du brauchst mich nicht.“
„Oh doch. Ich muss nämlich einen großen Betrieb leiten, und dazu gehört, dass ich nach Südamerika fliege. Und zwar schon morgen. Zuerst nach Venezuela und Brasilien, dann nach Samindera.“
„Ist das nicht das Land, wo ständig rebelliert und geputscht wird?“, fragte sie besorgt.
„Schon, aber dort wird auch ausgezeichneter Kaffee angebaut.“
„Wie auch immer, du bist nicht der Einzige, der sich um ein Unternehmen zu kümmern hat“, erklärte May kühl. „Ich habe genug Sorgen, auch ohne mich mit einem Baby zu belasten. Übrigens dachte ich, Saffy lebt in Paris und ist als Model erfolgreich. Das hat sie mir jedenfalls so gesagt.“
„Ach, mit dir ist sie in Verbindung geblieben?“, fragte Adam überrascht, und dann: „Wieso läufst du eigentlich barfuß herum?“
„Meine Füße sind schmutzig, weil ich eben in der Pfütze gelandet bin. Ich habe schon mein bestes Kostüm ruiniert, jetzt will ich nicht auch noch ein Paar anständige Schuhe verderben.“
Sie zuckte zusammen, als sie auf einen kleinen Stein trat. Adam umfasste ihren Arm, wobei ihre Haut zu prickeln begann, und führte sie auf den Rasen.
„Hier geht es sich bequemer“, meinte er und ließ sie sofort los.
Ein verräterischer Schauer überlief sie, weil er sie berührt hatte, doch das deutete er offensichtlich falsch. Er schien anzunehmen, dass ihr kalt war, denn er zog sein Jackett aus und legte es ihr um die Schultern. Es war herrlich warm und duftete nach seiner Haut.
„Ich bin doch ganz mit Schlamm bespritzt!“, protestierte sie und versuchte mit der freien Hand, das Jackett abzustreifen. „Da wird ja das Futter ganz schmutzig.“
„Der Anzug muss sowieso in die Reinigung“, erwiderte er und zog ihr das Jackett wieder auf die Schultern. „Hauptsache, du frierst nicht.“
„Danke.“ Verlegen senkte sie den Blick. „Schick mir dann die Rechnung.“
„Ich brauche dein Geld nicht, May. Ich brauche dich. Deine Zeit. Deine Hilfe.“
„Es ist momentan unmöglich“, wehrte sie unnachgiebig ab.
„Wegen deines Großvaters? Ich habe gehört, dass er gestorben ist. Mein Beileid, May. Das Begräbnis fand ja laut Zeitung im engsten Kreis statt.“
„Richtig“, bestätigte sie.
Sie hätte es nicht ertragen, wenn alle Honoratioren der Stadt erschienen wären und eine große Show abgezogen hätten! Adam wäre ohnehin nicht gekommen. Er hatte keinen Anlass, dem alten Mann die letzte Ehre zu
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