Julia Extra Band 0332
und wurde brennend rot. Ihr war zumute wie damals, als man sie in seinen Armen entdeckt hatte. Sie empfand dieselben Schuldgefühle, die Verlegenheit … und den Schmerz.
„Ach, Robbie! Was gibt’s denn?“, fragte sie, bemüht gelassen.
„Ich dachte, ich hätte dich vorhin ins Haus kommen hören und wollte mal nach dir sehen“, erwiderte die Haushälterin.
„Ich bin im Park von einem Baum gefallen, und Adam hat mich gerettet“, informierte May sie schnell.
„Aha. Das erklärt, warum ein Kätzchen in der Waschküche schläft und eine Hose am Herd hängt. Eine Männerhose.“
„May und ich sind bei der Aktion ziemlich nass und schmutzig geworden“, mischte Adam sich ein.
„Mich geht das nichts an, was ihr im Park getrieben habt“, meinte Robbie kühl. „Ach ja, May, was ich dir sagen wollte: Jeremy ist da.“
„Jeremy? Was will er denn?“
„Er will dir die Entwürfe für die Etiketten zeigen. Und da er dir damit einen Gefallen tut, solltest du ihn nicht warten lassen“, ermahnte Robbie sie.
„Ja, geh nur, May“, sagte Adam, als er merkte, wie sie zögerte. „Ich erkläre Mrs. Robson alles.“
„Und was ist mit Nancie?“
„Die bringe ich gleich nach unten. Sie wird bis dahin schon nicht verhungern.“
„Na ja, dann …“ Rasch verließ May das Zimmer.
Adam war wütend auf sich. Und auf May. Jede andere Frau hätte sein Angebot mit Handkuss angenommen, sie aber hatte ihn erst einmal schroff abgewiesen, erbost über seine Unverfrorenheit.
Dann hatte er sie geküsst, um ihr zu zeigen, wer wirklich die Oberhand hatte. Ja, May sollte für jede Kränkung, jede herablassende Bemerkung bezahlen, hatte er sich gedacht. Und dann war sie nicht, wie erwartet, weiterhin widerborstig gewesen, sondern hatte so leidenschaftlich reagiert, dass sein Triumphgefühl sofort verflog.
Stattdessen erfüllte ihn jetzt heißes Verlangen.
Nein, ich begehre sie nicht, redete er sich ein. Er konnte jede Frau haben, die er wollte. Echte Schönheiten, nach denen sich jeder auf der Straße umdrehte.
Nein, er wollte May nicht, er wollte nur ihren Stolz brechen. Das würde ihm gelingen. Ganz sicher.
Sie war der letzte Fehler in seinem Leben gewesen, die letzte Schwäche.
Seitdem er damals vor Kälte schlotternd das Anwesen der Coleridges verlassen hatte, war er unnachgiebig geworden, wenn es um seine Ziele ging. Gefühle hätten ihn nur behindert, also ignorierte er sie.
Mit dem Studienabschluss in der Tasche, einem Berg Schulden und mit einer Mutter, die sich weder um sich noch um die Tochter kümmern konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als in der Stadt zu bleiben. Der einzige Job, der ihm angeboten wurde, war bei einer alteingesessenen Importfirma, die es schon gegeben hatte, als Tee noch mit dem Segelschiff von China gebracht wurde – und deren Geschäftsverhalten sich seither nicht wesentlich geändert hatte.
Der Job war nicht das, was er sich erträumt hatte, aber er machte das Beste daraus und leitete bereits nach fünf Jahren die Firma. Inzwischen war er Direktor einer international agierenden Handelsgesellschaft, die Waren aus aller Welt importierte.
Aber das schien May nicht zu beeindrucken. Und ihre Haushälterin auch nicht.
„Es ist lange her, seit wir uns gesehen haben, Mrs. Robson“, begann Adam das Gespräch.
„Stimmt. Und es sieht so aus, als hätte sich seither nichts geändert. Mr. Wavell.“
„Irrtum!“, verbesserte er sie triumphierend. „Sie sollen die Erste sein, die es erfährt: May und ich werden heiraten.“
„Heiraten?“ Sie fiel aus allen Wolken. „Wann denn?“
„Noch vor Monatsende.“
„Warum so überstürzt?“ Wie benommen schüttelte sie den Kopf. „Worauf sind Sie aus? Wenn Sie glauben, May hätte eine reiche Erbschaft gemacht …“
„Ich brauche Mays Geld nicht“, unterbrach er sie. „Aber sie braucht mich. Man hat ihr heute mitgeteilt, dass sie, wenn sie nicht bis zum dreißigsten Geburtstag verheiratet ist, das Haus und somit ihre Existenzgrundlage verliert.“
„Das ist ja in weniger als vier Wochen.“ Robbie atmete tief durch und riss sich zusammen. „Ging es Freddie Jennings darum, als er heute Morgen so aufgeregt angerufen hat?“
„Vermutlich. Anscheinend ist eine alte Klausel ans Tageslicht gekommen, als Freddie das Testament von James Coleridge zur Beglaubigung eingereicht hat.“
Sie wurde blass. „Warum kommen ausgerechnet Sie ihr zu Hilfe, Adam Wavell? Welchen Profit versprechen Sie sich davon?“ Ohne eine Antwort
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