Julia Extra Band 0332
zu waschen.
„Hast du irgendwelche Tipps, wie ich das hier machen soll?“, fragte May spitz und zog mit dem Fuß einen Stuhl unter dem Küchentisch heraus, um sich zu setzen.
„Lern es so, wie ich es gelernt habe, als dein Großvater dich hierher gebracht hat und du noch keinen Monat alt warst“, erwiderte Robbie kurz angebunden.
„Robbie, bitte!
„Na gut! Du brauchst ihr nur den Sauger in den Mund zu stecken, den Rest erledigt sie schon selber.“ Robbie nahm sich den nächsten Kopf Salat vor. „Und halt das Ende der Flasche immer schön nach oben, damit die Kleine keine Luft schluckt. Das gibt nämlich Blähungen.“
Den Tipp befolgend gab May der Kleinen das Fläschchen, die gierig trank. Nach einer Weile fand sie das sture Schweigen bedrückend.
„Bist du böse auf mich, Robbie?“
„Nein, ich bin auf deinen Großvater wütend, auf diesen närrischen, starrköpfigen alten Mann“, brach es aus der Haushälterin förmlich heraus. „Nur weil deine Mutter nicht auf ihn gehört hat, weil sie ihr Leben so geführt hat, wie sie selber wollte …“
„Redest du jetzt vom Testament?“, warf May ein.
„Natürlich tue ich das! Wie konnte er dich bloß in eine so verzweifelte Lage bringen?“
Erleichtert atmete May tief durch. Sie hatte Vorwürfe erwartet, weil sie ausgerechnet Adam Wavell zu heiraten beabsichtigte.
„Bei der Klausel ging es nicht darum, meine Mutter zu etwas zu zwingen, sondern dieser Zusatz ist Familientradition“, erklärte sie beschwichtigend.
„Tradition! Dass ich nicht lache! Wie konnte er dir das bloß antun, Kind?“
„Er hat es ja nicht absichtlich getan“, verteidigte sie ihren Großvater. „Ich sollte doch Michael heiraten. Wenn Grandpa gewusst hätte …“
„Wer weiß schon alles?“, unterbrach Robbie sie heftig. „Wenn ich gewusst hätte, dass mein Mann mit sechsundzwanzig tot umfällt, weil er ein schwaches Herz hat, hätte ich nicht mit dem Kinderkriegen gewartet, bis wir uns ein Haus hätten leisten können.“
Plötzlich konnte sie nicht weitersprechen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Das Leben ist nie so, wie man es sich wünscht“, meinte sie nach einer kurzen Pause. „Es gibt keine Gewissheiten. Wie konnte dein Großvater mir eine Rente zusichern und dich ohne einen Groschen zurücklassen?“ Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab. „Und das, nachdem du ihn ein Dutzend Jahre hingebungsvoll versorgt hast, wo du einen Mann und Kinder hättest haben können …“
„Reg dich doch nicht so auf, Robbie“, bat May eindringlich. „Es wird alles gut. Bestimmt.“
„Nur weil Adam Wavell dir zufällig über den Weg gelaufen ist, als du Hilfe brauchtest.“
„Es war nicht zufällig“, verbesserte May die Ältere. „Er war auf dem Weg zu mir, weil er mich wegen Nancie um Hilfe bitten wollte. Es ist also eine gegenseitige Rettungsaktion.“
„Und was hättest du gemacht, wenn er dich nicht zufällig brauchen würde?“
„Na ja, ich hatte mir überlegt, als Erstes eine Liste mit allen unverheirateten Männern meiner Bekanntschaft zu machen. Jed Atkins hätte ganz oben gestanden.“
„Der wäre allemal eine bessere Wahl als Adam.“ Robbie verkniff sich ein Lächeln. „Allein schon, weil er dir kein Baby aufgehalst hätte.“
„Richtig, aber gut hundert Verwandte, die erwartet hätten, jedes Jahr zu Weihnachten eingeladen zu werden. Da hätte man ja einen ganzen Stall voll Truthähne gebraucht, um die alle satt zu kriegen.“
Nun lachten beide laut heraus, aber schon bald wurden sie wieder ernst.
„Verlieb dich nur nicht in Adam“, warnte Robbie. „Eure Ehe wird lediglich auf dem Papier bestehen.“
„Ich weiß!“
„Ach ja?“ Der Blick der Haushälterin war forschend und besorgt zugleich. „Dieser Kuss vorhin …“
„Der war nur zur Besiegelung unseres Abkommens“, erklärte May rasch. „Wie ein Handschlag in früheren Zeiten. Er hat sonst nichts bedeutet.“
„Adam hat er sicher nichts bedeutet“, bestätigte Robbie betont.
„Mir auch nicht“, log May.
Dabei hatte sie das Gefühl, noch immer die Wärme und den Druck seiner Lippen auf ihren zu spüren, und das verzweifelte Verlangen, das dieser Kuss in ihr geweckt hatte, war noch lange nicht abgeebbt.
Dass Adam so gereizt auf Jeremy reagiert hatte, bedeutete allerdings gar nichts. Adam brauchte sie nur als Kindermädchen.
„Dann ist es ja gut“, meinte Robbie, aber sie klang nicht wirklich überzeugt. „Vergiss nicht, dass er, sobald
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