Julia Extra Band 0339
nicht in den Armen halten wollen und ihm insgeheim vorgeworfen, dass sie ihre Persönlichkeit nun noch mehr würde unterordnen müssen, um nicht nur eine perfekte Ehefrau, sondern auch eine perfekte Mutter zu sein.
Ich war wirklich so schrecklich, wie Adan meinte, dachte Isabella voller Schmerz. Jetzt wusste sie zwar, warum sie damals weggelaufen war, doch die Antwort auf diese Frage war kaum zu ertragen.
Isabella barg das Gesicht in ihrem Kissen. Von Schluchzern geschüttelt, weinte sie, schrie und schlug mit den Fäusten ins Kissen, bis sie völlig erschöpft war. Ich bin ein schlechter Mensch, dachte sie verzweifelt. Ich bin krank und habe es nicht verdient, dass man mir verzeiht.
Als sie über das Babyfon ein leises Weinen hörte, stand sie schniefend auf und atmete tief ein, um sich zu beruhigen.
Was auch immer in der Vergangenheit passiert sein mochte, sie war Rafiks Mutter, und sie liebte ihn. Ich würde alles für ihn tun, dachte Isabella, fest entschlossen, nie mehr zu der hilflosen, verzweifelten Frau von damals zu werden.
Sie holte Rafik aus seinem Bettchen. Dann kämmte und schminkte sie sich und zog ein Kleid und Schuhe mit flachen Absätzen an. Sie wollte auch Adan erzählen, dass sie sich wieder erinnerte – auch wenn sie nicht genau wusste, warum ihr das so wichtig war.
Isabella hob Rafik hoch, nahm seinen Lieblingsteddy und machte sich auf den Weg zu dem Gebäudeteil, in dem sich die Arbeitszimmer und Empfangsräume befanden. Als sie ihn betrat, sah sie Adan, der mit einer großen, dunkelhaarigen Frau den Korridor entlangging. Die Frau hatte sich bei ihm eingehakt und lachte über etwas, das er gesagt hatte. Konnte er es wirklich sein? Als die beiden stehen blieben und sich einander zuwandten, blieb Isabella fast das Herz stehen.
Ja, es war eindeutig Adan, der in seiner weißen Dischdascha atemberaubend attraktiv aussah.
Er strich der Frau übers Gesicht, und dann gab er ihr einen Kuss auf die Wange. Isabella stockte der Atem, als er den Mund zu ihrem Ohr gleiten ließ. Jeden Moment würde Adan die fremde Frau nun sicher auf den Mund küssen …
Das wollte Isabella nicht mit ansehen. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie er die Frau den ganzen Nachmittag lang zwischen kühlen Satinlaken liebte. So wie er sie selbst noch vor Kurzem geliebt hatte.
Wie konnte ich nur so naiv sein? fragte Isabella sich. Sie hatte sich in Adan verliebt, doch sie bedeutete ihm nichts – genau wie damals: Sobald er sie nicht mehr begehrte, war er weg.
Schnell drehte sie sich um und rannte weg.
Adan verbrachte den ganzen Tag mit Besprechungen, Telefonaten mit anderen Staatschefs und mit dem Durchgehen der Einzelheiten seiner Krönung in der kommenden Woche. Er war jedoch früher fertig, als er gedacht hatte. Also sammelte er die Papiere zusammen, die Mahmud für ihn vorbereitet hatte, und machte sich auf den Weg nach Hause.
Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er morgens nicht gewusst hatte, wie er Isabella trösten oder was er ihr antworten sollte. Adan kannte sich besser mit Handeln als mit Gefühlen aus. Doch das würde er lernen müssen. Denn wenn das mit ihnen funktionieren sollte – und um Rafiks willen war er fest entschlossen dazu –, dann musste er ein besserer Ehemann werden.
Als er zu Hause ankam, bereitete der Koch gerade das Abendessen vor. Adan legte die Papiere auf einen Beistelltisch und folgte dem Klang von Stimmen in den Innenhof.
Dort drehte Rafik auf einem Spielzeugauto seine Runden, und Isabella sah ihm dabei zu und klatschte. Als sie Adan sah, schien das Leuchten in ihren Augen zu erlöschen. Dann wandte sie den Blick ab. Plötzlich hatte Adan das Gefühl, ein schweres Gewicht würde auf ihm lasten.
„So früh hatten wir nicht mit dir gerechnet“, sagte Isabella betont gelassen.
„Ich hatte doch nicht so viel zu tun wie erwartet.“
„Wie war dein Tag? Ist irgendetwas Interessantes passiert?“
„Nein“, antwortete Adan. Als Isabella ihn noch immer nicht ansah, war er zutiefst beunruhigt, ohne zu wissen, warum.
Sie stand auf, um Rafik zu baden, doch Adan hielt sie fest und sagte: „Es tut mir leid, dass ich das hier nicht besser kann.“
Isabella hob das Kinn und schaute ihn mit ihren grünen Augen durchdringend an. „Es ist mir wieder eingefallen – wie unsere Ehe damals war“, sagte sie leise.
Adan, der dies befürchtet und gleichzeitig erhofft hatte, ließ ihre Hand los. Wenn Isabella sich erinnerte, konnten sie die nächsten Schritte gehen – aber vielleicht
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