Julia Extra Band 0339
zwängte. Es war Heiligabend; draußen schneite es, und es pfiff ein kalter Wind. Vorsichtig öffnete sie die Haustür – und erstarrte zur Salzsäule. „Jonas …“
Er stand auf der Schwelle und war im Begriff, mit dem behandschuhten Finger auf den Klingelknopf zu drücken. Fassungslos schaute sie in sein markantes Gesicht – in den blauen Augen lag ein Ausdruck grimmiger Entschlossenheit. Krampfhaft umklammerte sie die Türklinke, während sie mit der Zungenspitze die trockenen Lippen befeuchtete. „Wa…was tust du hier?“
Jonas verbeugte sich leicht. „Ich weiß, ich komme unangemeldet, aber …“, er warf einen Blick auf die Gruppe im Flur, „… wäre es in Ordnung, wenn ich dich und deine Familie zur Christmette begleite?“
„J…ja, natürlich.“ Sie konnte nicht glauben, dass er wirklich vor ihr stand.
Vor knapp zwei Wochen hatte er einen seiner Arbeiter vorbeigeschickt, um den beschädigten Jeep zur Reparatur abholen zu lassen, danach hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Kein Anruf, kein Besuch, nichts. Nur eine große Leere. Wären nicht der andauernde Schmerz in ihrem Inneren und die Erinnerungen an die leidenschaftliche Umarmung an jenem Abend, könnte man glauben, sie hätte sich die Zeit mit ihm nur eingebildet.
Oder spielte ihre Fantasie ihr jetzt einen Streich? War seine Gegenwart hier in Devon nichts weiter als eine Täuschung ihrer überreizten Sinne? Soviel sie wusste, verbrachte er Weihnachten in der Karibik. Vielleicht stand er gar nicht vor ihr, sondern saß auf irgendeiner tropischen Insel am Strand, einen exotischen Drink in der Hand, eine Blondine im Bikini neben sich …
„Mary, Liebling, worauf wartest du? Wir sollten …“ Mrs McCoy verstummte, als sie neben ihre Tochter trat. Erstaunt zog sie die Brauen hoch und musterte Jonas neugierig.
Er ist also kein Phantom, dachte Mary mit einem seltsamen Flattern in der Magengegend. Er stand tatsächlich am Heiligen Abend um elf Uhr nachts vor dem Haus ihrer Eltern.
Unter anderen Umständen hätte Jonas laut aufgelacht – Marys entsetzte Miene war gar zu komisch. Aber er fühlte sich dermaßen fehl am Platz, dass er am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht hätte. Nur mühsam gelang es ihm, Haltung zu bewahren.
„Mrs McCoy?“ Höflich streckte er der Frau mit dem schwarzen Pagenkopf und den rauchgrauen Augen die Hand entgegen – die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter war verblüffend. „Mein Name ist Jonas Buchanan. Sie nehmen es mir hoffentlich nicht übel, dass ich einfach so bei Ihnen hereinschneie. Ich bin …“
„Jonas ist ein Freund aus London“, sagte Mary schnell und legte dabei eine Hand auf seinen Arm. „Er kommt mit uns in die Kirche.“ Sie zog ihn in den Flur. „Mom, Dad, das ist Jonas Buchanan. Jonas – meine Eltern, Melly und Brian.“ Sie drehte sich zu ihm und lächelte. „Ich freue mich riesig, dass du doch noch kommen konntest.“
Vorsichtig erwiderte Jonas ihr Lächeln. In dem weißen Wollmantel über einem roten Pullover und der schwarzen Jeans sah sie richtig weihnachtlich aus.
Mr und Mrs McCoy schien die Ankunft eines völlig fremden Gastes um elf Uhr nachts nicht das Geringste auszumachen. Brian, groß, schlank und grauhaarig, schüttelte Jonas die Hand. „Herzlich willkommen, Mr Buchanan“, sagte er freundlich. „Das Bekanntmachen verschieben wir wohl besser auf später“, fügte er mit einem Blick auf die zahlreichen Familienmitglieder hinzu. „Wir sind ein wenig spät dran.“
„Gern. In meinem Auto ist für Mary und drei weitere Personen Platz“, bot Jonas an, als die Familie aus dem Haus ins Freie drängte.
„Wundervoll.“ Melly McCoy lächelte warm. „Dann kann ich unseren Zweitwagen in der Garage lassen und nach dem Gottesdienst auch meinen Glühwein trinken.“
Die nächsten fünf Minuten waren Mary und Jonas damit beschäftigt, drei ihrer Tanten in den schwarzen Mercedes zu helfen, dennoch entging ihm nicht, wie oft ihr Blick auf ihm ruhte. Als die alten Damen im Auto saßen, drehte sie sich zu ihm. „Warum bist du nicht auf einer Insel in der Karibik, Jonas?“
Ihre Frage war verständlich und durchaus berechtigt. „Das erzähle ich dir später, unter vier Augen“, murmelte er.
„Ist ja auch egal. Hauptsache, du bist da.“
Er verzog den Mund. „Meinst du das wirklich?“
„Ja“, bekräftigte sie. „Jetzt fahren wir besser los, Dad wartet auf uns.“ Sie stiegen ein, Jonas startete den Motor, dann folgte er Brian McCoy auf der verschneiten
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