Julia Extra Band 0342
Hunderte von Motiven, und er war dankbar für die vielfältigen Gelegenheiten, um sich ablenken zu können. Dennoch war keine Ansicht so umwerfend wie der Anblick der Frau, die neben ihm saß.
„Das ist eigentlich nicht fair“, sagte sie unvermittelt.
Erstaunt sah er sie an. „Was ist nicht fair?“
„Na ja, ich bewege mich hier auf vollkommen neuem Territorium – ich meine, was den Spaß angeht –, und du bewegst dich weiterhin auf vertrautem Gebiet.“
„Vertrautes Gebiet?“
„Hinter deiner Kamera.“
„Das ist doch mein Job.“
Sie zog eine Augenbraue hoch. „Ach so – du bist beruflich unterwegs?“
Tristan legte die Kamera beiseite und grinste schuldbewusst. „Tut mir leid.“
Sie lächelte. „Ist schon okay.“
Die Gondel glitt an millionenschweren Villen vorbei. Die Terrassen und Balkone waren in gelbes Licht getaucht. Einige der Besitzer winkten ihnen zu.
„Schau dir nur diese Häuser an.“ Jayne war schwer beeindruckt. „Wie mag es sich wohl anfühlen, in einem so teuren Haus zu wohnen?“
Er wusste es, weil seine Eltern ein solches Haus besaßen. Doch es hatte ihnen kein Glück gebracht. „Einsam“, antwortete er spontan.
Betroffen sah sie ihn an. „Sprichst du aus Erfahrung?“
Er zuckte mit den Schultern. „Meine Eltern besitzen so ein Haus“, antwortete er schließlich. „Für uns drei war es viel zu groß – irgendwie ungemütlich.“
„Wenn ich ein solches Haus hätte“, sagte sie mit einem Blick auf ein zweistöckiges Herrenhaus, an dem sie soeben vorbeifuhren, „würde ich dauernd Freunde einladen. Ich würde sie bekochen. Und Weihnachten würde ich sie alle um mich haben wollen und einen riesigen Weihnachtsbaum für sie aufstellen.“
Das klang nicht schlecht. Wann war er das letzte Mal Weihnachten zu Hause gewesen? Er leerte sein Glas. „Du willst mir doch nicht weismachen, dass du keinen Weihnachtsbaum hattest?“
Sie wurde rot. „Ich habe immer einen Baum. Selbst wenn ich über die Feiertage allein war.“
„Wie vergangenes Jahr?“
Sie nickte. „Ich habe mir immer gewünscht, in einem großen Haus zu wohnen, wo ich alle meine Freunde beherbergen kann.“
„Du lebst doch in einem Haus.“
Ihre Miene wurde nachdenklich. „Ja, vielleicht hätte ich alle einladen sollen. In meinem Apartment war das leider nicht möglich, aber Mollys Haus ist ja eigentlich groß genug. Vielleicht mache ich es in diesem Jahr.“
„Warum vielleicht? Nimm es dir fest vor.“
Am liebsten hätte er ihr den Bungalow gekauft, aber er bezweifelte, dass sie sein Geschenk akzeptiert hätte.
„Nichts sollte dich davon abhalten, deine Träume zu verwirklichen“, fügte er hinzu.
„Erst einmal muss ich lernen, wie man einen Truthahn zubereitet.“
Er lachte. Die Frauen, die er kannte, redeten nicht über solche Dinge mit ihm. Was sie sagte, gefiel ihm – es ließ anheimelnde, gemütliche Bilder vor seinem inneren Auge entstehen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Mit Emma waren ihm die Feiertage immer ein Gräuel gewesen. Er hatte nie gewusst, wie er sich verhalten sollte. Und er bezweifelte auch jetzt, ob er Jaynes Erwartungen würde erfüllen können.
„Einen Truthahn zu braten dürfte dir doch nicht schwerfallen“, ermutigte er sie. „Selbst Männer können grillen oder Tiefkühlhühnchen zubereiten.“ Es klang nicht sehr überzeugend, aber was hätte er sonst sagen sollen?
Jayne verzog das Gesicht. „Tiefkühlhühnchen klingt so … ich weiß nicht. Irgendwie nicht richtig.“
„Hast du jemals ein tiefgefrorenes Huhn gebraten?“
„Nein.“
„Das sollten wir auf unsere Spaßliste setzen.“
„Spaßliste?“
„Auf die wir alles schreiben, was uns Spaß macht.“
Sie lächelte. „Und meine Führung durch Coronado dürfen wir nicht vergessen.“
Er tippte sich an den Kopf. „Ist bereits gespeichert.“
Leise plätschernd fuhr die Gondel an den Buchten und kleinen Inseln vorbei.
Schweigend saßen Jayne und Tristan nebeneinander und genossen die Aussicht. Eine Erdbeere nach der anderen verschwand, und die Champagnerflasche leerte sich allmählich.
Worte waren nicht notwendig. Auch keine Fotos, mit denen er sich ablenken konnte.
Schließlich wendete der Gondoliere und ruderte zurück zur Anlegestelle.
Jenseits der Coronado Bay schimmerten die Lichter von San Diego.
Er legte den Arm um Jaynes Schultern. Sie rutschte näher an ihn heran.
Ein neues Lied erklang, und der Gondoliere sang auf Italienisch mit. Ein Liebeslied, falls Tristan
Weitere Kostenlose Bücher