Julia Extra Band 0342
unterwegs?“
Molly nickte.
Jayne musterte sie prüfend.
„Nervös? Irgendwie bist du heute nicht ganz du selbst.“
Gemeinsam steuerten sie das Wohnzimmer an, wo Molly sich zwischen den neugierigen Blicken ihrer Mutter und denen von Jayne regelrecht eingezwängt fühlte. Wie, in aller Welt, sollte sie dieses Geheimnis für sich behalten?
Nun, sie musste es einfach. Bisher war sie sich ja noch nicht einmal sicher. Noch nicht.
„Nein.“ Molly seufzte. „Doch.“
„Du wirst das ganz toll machen“, sagte Cynthia.
„Das ist nicht das Problem, Mom.“
Molly schob ihre Unterlagen in ihre dunkelbraune Ledertasche und legte diese auf den kleinen Wohnzimmerschreibtisch. „Der Etat gibt her, was er hergibt. Wenn dieses Jahr eine zweite Vorschulklasse finanziert werden kann, dann behalte ich meinen Job. Wenn nicht …“
„… dann nicht. Aber ich bin mir sicher, dass sich alles zum Guten wendet“, sagte ihre Mutter.
Jayne stimmte ihr mit aufmunternden Worten zu.
Molly nickte. Es war unvorstellbar für sie, nicht mehr an der Washington Elementary zu arbeiten und im Herbst keine neue Schar Vorschüler willkommen zu heißen. In die neugierigen Gesichter zu blicken, die geradezu aufblühten, wenn sie die Grundlagen lernten, vom Alphabet bis zur einstelligen Addition.
Molly liebte ihre Arbeit und konnte sich nicht vorstellen, irgendetwas anderes zu tun. Jahrelang hatte sie tagein, tagaus unterrichtet, und genau so stellte sie sich ihr Leben vor.
Aber wenn sie mit dem, was sie tat, wirklich so zufrieden war, warum wollte sie sich dann an jenem Abend unbedingt so gehen lassen? Sich benehmen, als wäre sie eine vollkommen andere Person?
Ein Psychologe hätte ihr wahrscheinlich attestiert, dass sie unbewusst versuchte, eine Leere in ihrem Leben zu füllen. Molly wischte den Gedanken beiseite. Diese Nacht war ein Fehltritt gewesen, sonst nichts. Es gab in ihrem Leben keine „Leere“. Sie war vollauf zufrieden.
Nach Las Vegas war sie doch nur gefahren, um Jayne zu unterstützen, die gerade durch eine schwierige Phase gegangen war. Das war alles.
„Du siehst blass aus“, sagte Cynthia, ging einen Schritt auf sie zu und legte die Hand auf die Stirn ihrer Tochter. „Hast du nicht gesagt, dass die Sommergrippe umgeht? Vielleicht hast du dir etwas eingefangen?“
„Etwas“ hatte sie sich in der Tat eingefangen.
„Du siehst wirklich etwas schlapp aus, Molly“, warf Jayne ein.
„Ich bin nur müde, das ist alles.“
Auf gar keinen Fall würde sie ihrer Mutter und ihrer Freundin von dem Schwangerschaftstest erzählen. Nicht, bevor sie bei einem Arzt gewesen war. Diese Schnelltests konnten sich irren.
Nach zwei Monaten? , flüsterte eine leise Stimme in ihr. Hast du im Biologieunterricht geschlafen?
Ihre Mutter sah sie skeptisch an.
„Wenn du mich fragst, hast du nicht gut genug auf dich achtgegeben, als du und Doug diese … Pause in eurer Beziehung hattet.“
Molly öffnete die Hintertür, ließ Rocky in den umzäunten Hof, dann wandte sie sich wieder ihrer Mutter zu. Jayne beschäftigte sich konzentriert damit, Kaffee zu kochen, um nicht in den Streit zwischen Mutter und Tochter verwickelt zu werden. „Mom, das war keine ‚Pause‘. Wir sind geschieden.“
Cynthia schüttelte den Kopf.
„Ich glaube noch immer, ihr könnt …“
„Nein, können wir nicht.“
Die Lippen ihrer Mutter kräuselten sich zunehmend, aber sie schwieg.
Molly seufzte, ließ es aber dabei bewenden. In Cynthias Augen konnte Douglas Wyndham nichts Falsches tun. Sie sah in ihm den perfekten Schwiegersohn, den Arzt, der viel im Leben erreichen würde.
Das Problem war nur: Die Ziele, die er anstrebte, waren ihren eigenen komplett entgegengesetzt.
Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Sie wusste ja noch nicht einmal sicher, ob die rosafarbenen Striche überhaupt gerechtfertigt waren. Zunächst würde sie ihren Arzt anrufen und versuchen, gleich nach ihrer Konferenz einen Termin zu bekommen. Erst dann konnte sie endgültige Gewissheit haben.
Gewissheit worüber? Dass sie in jener Nacht den womöglich größten Fehler ihres Lebens begangen hatte? Sie, Molly Hunter, die ihr Leben so geradlinig führte, dass man sie mit einem Lineal verwechseln konnte?
„Molly, ich glaube trotzdem …“
„Möchten Sie etwas Kaffee, Mrs Hunter?“, fiel Jayne ihr ins Wort. Molly lächelte ihre Freundin dankbar an, erleichtert über diesen Themenwechsel.
Rocky kratzte an der Fliegengittertür. Molly ließ ihn herein, fischte
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