Julia Extra Band 0347
öffnete die Keksdose und setzte sich mit einem Glas Milch an den Küchentisch – ein Fundstück aus einem Trödelladen. Pures Amerika der 50er Jahre, mit Beinen aus Chrom und einer fleckigen Resopaloberfläche.
Nachdenklich knabberte Grace an einem Keks und ließ ihren Blick schweifen. Sie saß fast nie einfach so in der Küche herum.
Das Ganze erinnerte sie an ihre Studentenzeit.
Plötzlich sprang sie auf und streifte durch die Wohnung. Mit Schrecken stellte sie fest, dass ihr Einrichtungsstil sich seit ihrer Hochzeit mit Rob nicht verändert hatte. Die Farben, die Drucke an den Wänden und einige Möbel waren zwar zwischenzeitlich erneuert worden, aber grundsätzlich war alles wie immer: hell, fröhlich und einfach. Sollte nicht wenigstens ein Beistelltisch im Wohnzimmer stehen oder ein Zierdeckchen auf dem Kaminsims liegen?
Okay, vielleicht ging sie jetzt ein bisschen zu weit, aber Noah war in ihrem Alter, und bestimmt besaß er kein einziges Stück Fertigmöbel. Erleichtert vermutete sie, dass er wahrscheinlich auch keine Zierdeckchen und Beistelltische hatte. Doch seine Wohnung sah bestimmt erwachsener aus.
Sie ging ins Schlafzimmer und betrachtete die bunte Bettdecke aus Indien, die sie über alles liebte. Sie mochte die hellen Farben und glitzernden Stickereien, doch war der Überwurf weder elegant noch strahlte er irgendetwas Erwachsenes aus. Wollte sie das überhaupt?
Sie ließ sich auf den Rand des Bettes fallen und betrachtete ihr Spiegelbild. Ihr Gesicht hatte mehr Falten als vor zwanzig Jahren. War das die einzige Veränderung?
Bilder aus der Vergangenheit zogen an ihr vorüber.
Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Sie würde wie Mrs Sims, eine Kundin des Cafés, enden, die mit achtzig immer noch Turnschuhe und weiße Söckchen trug.
Grace ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Nachdem sie sich durch einige Programme gezappt hatte, blieb sie bei einem Film hängen. Es war ihr absoluter Lieblingsfilm – eine Teenager-Komödie aus den achtziger Jahren. Es spielte keine Rolle, dass sie die ersten zwanzig Minuten verpasst hatte, denn sie kannte praktisch jede Szene auswendig. Der Streifen würde sie auf andere Gedanken bringen. Außerdem half er ihr, bis zum nächsten Chat mit ihren Freundinnen, die Zeit zu überbrücken.
Englishcrumpet: Los, Dani, unterhalte uns ein bisschen mit deinen Dating Flops! Marissa kann ich nicht fragen, sie ist im Hochzeitsfieber und voll im Liebesglück.
Sanfrandani: Oh, weißt du … Es ist wie immer.
Englishcrumpet: Genau das ist es, Dani! Wir wissen gar nichts. Du bist immer so vage.
Kangagirl: Ja, es ist Zeit, endlich auszupacken.
Englishcrumpet: Dani, gib zu, dass du einige Nieten gezogen hast.
Sanfrandani: Ja, das habe ich.
Kangagirl: Details, bitte!
Sanfrandani: Dein Date war keine absolute Pleite, Grace. Ist der mysteriöse Noah wieder im Café aufgetaucht?
Englishcrumpet: Ja, ist er. Um ehrlich zu sein, hat er es sich angewöhnt, ziemlich regelmäßig vorbeizuschauen – um Kaffee zu trinken und etwas Süßes zu essen, wie er sagt.
Kangagirl: Wow! Was macht er noch mal? Nicht viele Männer haben Zeit, mitten am Tag in einem Café rumzuhängen.
Englishcrumpet: Er hängt nicht rum – er bringt seinen Laptop mit, redet hin und wieder mit sich selbst, schreibt etwas auf und starrt in die Luft. Er schreibt eben.
Sanfrandani: Was denn?
Englishcrumpet: Ich weiß nicht. Militärzeug. Spionagekram.
Sanfrandani: Und er heißt Noah?
Englishcrumpet: Ja!
Sanfrandani: Hast du schon mal in einem Buchladen nachgefragt?
Englishcrumpet: Nein. Denkst du, das sollte ich?
Sanfrandani: Ja, allerdings.
Englishcrumpet: Egal, das ist nicht so wichtig. Ich wollte euch nur sagen, dass Noah und ich einfach Freunde sind.
Kangagirl: Einfach gute Freunde. Das habe ich doch schon mal irgendwo gehört.
Engliscrumpet: Im Augenblick sind wir gute Freunde. Aber mir fehlt der Mädchentratsch, seit Daisy aus dem Haus ist. Los, erzählt mir was Schlüpfriges!
Sanfrandani: Ich würde ja ein bisschen mehr Klatsch von mir geben, wenn ich mal zu Wort käme.
Englishcrumpet: Sorry! Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst, Dani. Ich weiß, dass nicht jeder so gern über sich selbst redet wie ich.
Kangagirl: Noah scheint es nichts auszumachen.
Englishcrumpet: Im Ernst, Marissa, da ist nichts. Mir reicht es schon, dass Noah mich nicht nur als die Mutter von Daisy sieht. Bei ihm bin ich einfach nur Grace. Kann ich euch was fragen, Mädels?
Sanfrandani:
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