Julia Extra Band 0347
Klar.
Kangagirl: Schieß los.
Englishcrumpet: Habt ihr den Eindruck, dass ich auf jung mache?
Kangagirl: Es macht Spaß mit dir, Grace.
Sanfrandani: Wir lieben dich so, wie du bist.
Wie sollte sie es ihren Freundinnen nur erklären? Sie hatte mit ihrer Frage auf etwas anderes abgezielt.
Englishcrumpet: Ich weiß, das klingt vielleicht komisch, aber ich glaube, es wird Zeit, dass ich erwachsen werde.
Noah war gerade fünf Minuten eingenickt, als ein paar Turbulenzen ihn aus dem Schlaf rissen. Er bat die Stewardess um einen Kaffee. Als er ihm gebracht wurde, bereute er die Bestellung bereits, denn er bekam sofort Heimweh nach gepflasterten Straßen und geblümten Emaillekrügen.
Er dachte an Grace.
Das tat er häufiger in letzter Zeit, besonders wenn er auf Reisen war. Er vermisste den Duft von Butter, Zimt und frischem Kaffee, der ihm entgegenschlug, wenn er durch die Glastür des Cafés trat und dabei das Glöckchen erklang.
Er hatte mit Grace ein gewisses Ritual entwickelt, wenn er nicht gerade unterwegs war. Sobald er sein morgendliches Schreibpensum erledigt hatte, tauchte er am späten Vormittag im Café auf. Es war ein echter Ansporn. Plötzlich war er doppelt so produktiv wie zuvor. Grace brachte ihm gewöhnlich einen Espresso und irgendeine süße Leckerei, die immer köstlich war. Er bezweifelte nicht, dass sie in jedem Toprestaurant Londons arbeiten könnte, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen hätte.
Während er insgeheim auch bedauerte, dass sie ihre Chancen vertan hatte, respektierte er wiederum ihren Lebensweg. Sie hatte für die Erziehung ihrer Tochter vieles geopfert. Je länger er Grace kannte, desto sicherer war er, dass er mit seiner Einschätzung richtiggelegen hatte. Sie war eine erstaunliche Person, die alle Qualitäten besaß, die er sich von einer Frau wünschte. Wenn er ihr eine Patisserie auf dem Silbertablett vor die Tür legen könnte, so würde er es tun. Sie hätte es sich verdient.
Aber er war lediglich ein Freund. Und Freunde taten solche Dinge nicht.
Er nahm einen weiteren Schluck von dem schlechten Kaffee und verzog das Gesicht. Für den Rest des Fluges wollte er sich lieber Gedanken über das 17. Kapitel machen, das irgendwie vom Kurs abgekommen war und an Tempo verloren hatte. Er öffnete seinen Laptop und überflog die E-Mails, bevor er zu arbeiten anfing.
Eine war von Grace, die ihm eine gute Zeit in Deutschland wünschte und eine kleine Anekdote aus dem Café beschrieb. In dem Moment beschloss er, sie bei der nächsten Gelegenheit endlich über seine wahre Identität aufzuklären. Sie hatte inzwischen sein volles Vertrauen und würde ihn bestimmt nicht wegen seines Geldes heiraten. Nein, sie wollte ihn überhaupt nicht heiraten! Schade.
Die nächste war eine Erinnerungsmail seines Agenten.
Verdammt, das hatte er ganz vergessen.
Nächste Woche wurde der britische Buchpreis verliehen, und man erwartete, dass er sich dort sehen ließ. Insbesondere, da sein letztes Buch auf der Nominierungsliste für den besten Thriller stand.
Er hatte versucht, bei Blinddatebrides.com jemanden kennenzulernen, der ihn zu diesem Event begleitete. Doch er hatte nicht genügend Zeit gehabt, jemand Passendes zu finden. Also würde er wieder mal allein erscheinen und schutzlos den Annäherungsversuchen diverser Frauen ausgeliefert sein. Eine schreckliche Vorstellung.
Aber es gab ja Grace. Er brauchte lediglich eine Begleitung. Jemanden, der nicht von seiner Seite wich und als charmantes Schutzschild fungierte.
Grace wäre perfekt dafür. Aber wäre sie bereit dazu? Vielleicht wenn er sie höflich darum bitten würde.
In ihrer Pause besuchte Grace den Buchladen, der sich direkt neben dem Café befand. Sie winkte dem Mann hinter dem Kassentresen zu, der jeden Tag des Jahres eine selbst gestrickte Weste trug, sogar an diesem wunderbaren Apriltag.
„Guten Morgen, Martin. Was machen die Geschäfte?“
Martin schüttelte den Kopf. „Wegen all der neuen schicken Läden, die hier im Viertel aufmachen, will der Vermieter jetzt die Miete erhöhen. Das ist nicht fair. Ich komme schon wegen all dieser Online-Buchhändler kaum über die Runden.“
„Willst du dich nicht dagegen wehren?“
Der alte Mann seufzte. „Das ist zwecklos. Der Vertrag läuft nächsten Monat aus, und ich habe nicht das Geld für einen Anwalt. Wenn mein Sohn Interesse an dem Laden hätte, würde ich es mir überlegen. Hat er aber nicht. Außerdem dreht mir meine Frau den Hals um, wenn ich mich nicht bald zur Ruhe
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