Julia Extra Band 0347
mir. Doch wie soll ich Respekt für ihn haben können? Warum lässt er sie nicht einfach gehen?“
Georgie verstand nicht. Seine Mutter lebte doch ihr eigenes Leben in London …
„Sie ist noch immer seine Frau.“ Ibrahim sah ihre rosigen Wangen, ihr wirres Haar, und es war ein gutes Gefühl, seine Gedanken mit ihr zu teilen. „Sie bedauert ihre Indiskretion. So sehr, dass sie ihm die ganze Zeit treu geblieben ist.“
„Das ist doch schon Jahre her.“
„Und es wird noch viele Jahre so bleiben. Nachdem er sie so lange ignoriert hat, taucht er jetzt nach Belieben bei ihr auf. Aber wer weiß, vielleicht ist er demnächst wieder zu beschäftigt? Dennoch erwartet er von ihr, dass sie sich für ihn bereithält.“
„Warum reicht sie nicht die Scheidung ein?“
„In Zaraq ist das Konzept der Scheidung unbekannt, in unserer Sprache gibt es nicht einmal ein Wort dafür. Selbst wenn die Scheidung in England offiziell ausgesprochen werden würde … für ihn und für das Volk von Zaraq wird sie immer seine Frau bleiben. Nichts kann das ändern.“
„Nichts?“
Ibrahim fiel nicht auf, dass Georgie plötzlich blass geworden war. „Nichts“, bestätigte er. „Was einmal geschehen ist, kann man nicht ändern. Das ist das Gesetz von Zaraq.“
Zufrieden, dass die Aufgabe erledigt war, schwieg die Wüste, und Ibrahim schlief endlich. Anders als im Flugzeug wirkte er entspannt im Schlaf. Jetzt war es Georgie, die sich rastlos und aufgewühlt fühlte. Sie begann zu verstehen, was Felicity ihr hatte sagen wollen – für das Volk von Zaraq war sie noch immer verheiratet.
Ibrahim wäre es gleich, versuchte sie sich zu beruhigen. Er würde es verstehen. Dennoch … sie lag in seinen Armen und konnte ihn nicht ansehen. Von Scham überflutet, rollte sie sich auf die Seite.
Sie kam sich wie eine Lügnerin vor.
Doch wann hätte sie es ihm sagen sollen? Gestern? Auf der Hochzeit? Hätte sie sich einfach vor ihn stellen und etwas so Privates herausposaunen sollen?
Es hatte Gelegenheiten gegeben, erinnerte ihr Gewissen sie. Gestern hatte sie es ja versucht, aber er war ihr über den Mund gefahren. Wenn sie ehrlich war, war sie froh darum gewesen, dass er sie aufgehalten hatte …
Sie schloss die Augen. Im Schlaf zog Ibrahim sie fester an sich, und sie fühlte seinen warmen Körper an ihrem Rücken. Es lag so viel Zärtlichkeit in dieser Geste, so wie ein Versprechen in seinen Worten gelegen hatte – ein Blick auf die Zukunft. Was sie hier zusammen erlebten, bedeutete ihm etwas. Doch wie Georgie inzwischen wusste, war es durchaus denkbar, dass diese Zukunft keine Chance hatte.
Sie fiel in einen unruhigen Schlaf, träumte von geweihten Ölen und boshaft lachenden Winden, von bizarren Bauten und dem Donnern von Maschinen …
„Zieh dich an!“ Ibrahims Stimme riss sie jäh aus dem Schlaf. „Da kommt jemand. Ich kann den Hubschrauber hören.“
Das Donnern hatte sie also nicht geträumt! Sicher war noch genug Zeit, um zu den Gästeunterkünften zu rennen? Sie trug doch nichts als ihr zerrissenes Nachthemd!
Ibrahim warf ihr ein großes Tuch zu und zog sich hastig an, und Georgie setzte zum Spurt in ihr Zimmer an. Doch zu spät! Sie trat in den Hauptraum und blieb abrupt stehen, zitternd und beschämt. Es war ihr unmöglich, Karim anzusehen, deshalb richtete sie bittende Augen auf Felicity, die weiß wie ein Laken geworden war.
„Hast du Spaß bei deiner Wüstentour?“, fragte Felicity beißend. „Wo ist denn dein erfahrener Reiseleiter?“
Georgie war maßlos erleichtert, als Ibrahim aus seinem Raum trat, vollständig angezogen, nicht im Geringsten verlegen, und die Situation in die Hand nahm.
„Deine Schwester und ich wollten schon gestern Abend zurückkommen, aber wir wurden von einem Sandsturm überrascht.“
„Genug!“ Karims wütendes Aufbrausen sollte den jüngeren Bruder zum Schweigen bringen, doch Ibrahim ließ sich nicht einschüchtern.
„Georgie, geh und zieh dich an“, sagte er mit bewundernswerter Ruhe. „Ich bringe dich zum Palast zurück.“
„Ibrahim …!“ Karims drohende Warnung fiel auf taube Ohren.
„Geh“, meinte Ibrahim zu Georgie. „Ich rede mit meinem Bruder.“ Er sah Karim düster an. „Wir haben nichts Falsches getan.“
„Ich hatte dich gewarnt!“, stieß Karim aus. „Ich hatte dir gesagt, dass du dich von ihr fernhalten sollst.“
„Und ich hielt es für unnötig, darauf zu hören. Wie könnt ihr beide es wagen, hier hereinzuplatzen und Georgie derart zu
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