Julia Extra Band 0347
war, war sie daran gewohnt, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Sie litt auch nicht unter Einsamkeit, weil sie mit Hugh und Alastair, ehemaligen Freunden aus dem College, in dem Haus zusammenwohnte, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Es war ein zweistöckiges Haus, in dem jeder von ihnen dreien eine Etage bewohnte. Katherine erhielt von ihren Mitbewohnern eine angemessene Miete, doch Andrew missfiel dieses Arrangement und er drängte Katherine ständig, sie solle zu ihm in sein Haus ziehen. Ihre beharrliche Weigerung war ein fortwährendes Streitthema zwischen ihnen, und dass Katherine dann genau an dem Tag, für den er Opernkarten besorgt hatte, nach Portugal gereist war, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Aber ihr Beruf war Katherine nun mal wichtiger als Die Hochzeit des Figaro. Abgesehen davon würde sie ohnehin nicht mit einem Mann zusammenziehen, dessen Lebenseinstellung sich so grundlegend von ihrer unterschied.
Trotz ihrer unruhigen Nacht wachte Katherine früh auf. Rasch sprang sie unter die Dusche, schlüpfte in Jeans und T-Shirt – ihre Arbeitskluft – und band ihr Haar zu einem straffen Knoten zurück. Kaum war sie fertig, klopfte es auch schon an der Tür, und Lidia kam mit einem Tablett in den Händen herein.
„Bom dia, Doutora!“, rief Lidia strahlend und stellte das Tablett mit knusprigen Brötchen und Obst auf einem Tischchen am Fenster ab.
„Guten Morgen, Lidia. Obrigada. “
Die Augen der Frau leuchteten auf. „Guten Appetit. Ich hole Sie um neun ab.“
„Könnten Sie Jorge bitten, dass er mitkommt und das Stativ und den Werkzeugkoffer nach unten trägt?“
„ Pois e. Ich richte es ihm aus.“
Ein ausgedehntes Frühstück war für Katherine ein seltener Luxus. Behaglich seufzend setzte sie sich ans offene Fenster und blickte auf den herrlichen Park hinaus. Ganz gleich, welches Resultat ihre Arbeit erzielen würde, sie war froh über die Gelegenheit, diesen himmlischen Ort kennenzulernen – und den faszinierenden Robert de Sousa. Ein Gaucho! Und unglaublich sexy.
Der Mann, der sie um neun auf der Veranda erwartete, wirkte jedoch eher erschöpft als sexy. Seine umschatteten Augen verrieten, dass er Schmerzen hatte.
„Bom dia“, begrüßte er sie. „Haben Sie gut geschlafen?“
„Sehr gut, danke.“
Interessiert musterte Roberto ihr Stativ und den Werkzeugkoffer. „Brauchen Sie das für Ihre Arbeit?“
Sie nickte. „Ich werde den jetzigen Zustand des Gemäldes und die einzelnen Phasen meiner Arbeit durch Fotos dokumentieren. Im Koffer sind die Utensilien und Lösungsmittel, die ich zum Säubern des Gemäldes benötige. Das kann einigen Schmutz verursachen, ich brauche also einen Arbeitsplatz, an dem ich mich austoben kann. Und er sollte hell sein, aber ohne direkte Sonneneinstrahlung.“
„Kein Problem. Wollen Sie vor der Arbeit noch einen Spaziergang machen?“
„Unbedingt. Beim Frühstück habe ich auf Ihren wunderschönen Park geblickt und würde sehr gern mehr davon sehen.“ Und den stressigen Moment, wenn ich das Gemälde zum ersten Mal sehe, etwas hinauszögern, fügte sie im Stillen hinzu.
„Nun denn. Vamos. “ Er ergriff den an einer Säule lehnenden Spazierstock.
„Fühlen Sie sich denn fit genug?“, fragte sie, ohne nachzudenken.
„Keine Angst, ich kann durchaus eine Weile humpeln, ohne hinzufallen.“
Sie wurde rot. „Tut mir leid …“
„Nein! Mir tut es leid.“ Ein gezwungenes Lächeln huschte über seine Lippen. „Ich bin heute früh zu lange geschwommen und muss jetzt dafür bezahlen.“
Nach einigen Metern begegneten sie zwei Gärtnern, ältere Männer, die lächelnd aufblickten, als ihr Arbeitgeber bei ihnen stehen blieb und ein paar Worte mit ihnen wechselte.
„Die beiden haben sich ja richtig gefreut, Sie zu sehen“, meinte Katherine, als sie weitergingen.
„Sie kennen mich seit meiner Geburt. Die Quinta das Montanhas war das Elternhaus meiner Mutter. Jetzt gehört es mir.“
Katherine war beeindruckt. „Ihre Mutter hat es Ihnen vermacht?“
„Nein, geschenkt. Meine Mutter ist noch sehr lebendig. Aber seit sie mit meinem Vater in Rio Grande do Sul lebt, kommt sie kaum noch hierher. Sie hasst Langstreckenflüge.“
„Das kann ich nachvollziehen! Mir hat schon der Flug von England nach Porto gereicht. Oh!“, rief sie dann erfreut, „ein Tennisplatz.“
„Spielen Sie Tennis?“
„Ja, wenn auch nicht sehr gut.“
„Bestimmt besser als ich – inzwischen“, sagte er bitter.
„Verzeihen Sie die
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