Julia Extra Band 0349
wollte sie hier?
Kam sie seinetwegen?
Er würde es gleich herausfinden.
„Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir die letzten Einzelheiten nächste Woche besprechen?“, wandte er sich an Max Croft. „Es ist etwas dazwischengekommen.“
„Kein Problem“, erwiderte der andere erneut und ließ sich nicht anmerken, ob er neugierig war.
Rafael ging zum Notausgang und öffnete ihn. „Ich melde mich bei Ihnen, Max“, versprach er.
„Okay. Bis dann!“ Max Croft verließ das Büro so gelassen, als würde er jeden Tag durch den Notausgang hinausgebeten.
Im Stillen gab Rafael ihm dafür Pluspunkte. Auch dafür, dass er nicht nachgehakt hatte, was denn los wäre. Manchmal war es richtiger, eine Frage nicht zu stellen.
Während Rafael von der Tür aus die turbulente Szene im Vorzimmer beobachtete, überlegte er nochmals, was Libby Marchant hier wollte.
Eins war jedenfalls klar: Mit Gretchen als Empfangsdame wäre es nicht zu dieser Posse gekommen. Ihre Vertretung hatte sich hinter dem Schreibtisch verschanzt und blickte zugleich empört und hilflos auf die junge Frau, die mitten im Raum auf dem Fußboden saß.
„Tut mir leid, Ms Marchant, dass Sie die Fahrt vergeblich unternommen haben“, sagte sie, „aber wie ich schon erklärt habe …“
Libby unterbrach die andere. „Ich brauche weder Ihre Entschuldigung noch Ihre Erklärungen.“
„Was brauchen Sie denn?“, mischte Rafael sich ein.
Beide Frauen wandten sich ihm abrupt zu. In Libbys unglaublich blauen Augen las er als Erstes Verachtung und Wut, dann Erkennen und Schock. Sie stöhnte entsetzt auf.
Das Geräusch lenkte seinen Blick auf ihren verlockenden Mund, und er konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie sie die weichen Lippen langsam über seinen Körper gleiten ließ …
„Sie?“, rief Libby und schüttelte sichtlich fassungslos den Kopf. „Das verstehe ich nicht.“
Und wenn ich es ihr erkläre, geht sie bestimmt in die Luft wie eine Rakete, dachte Rafael resignierend.
„Was brauchen Sie, querida? “, wiederholte er seine Frage.
Da Libby nicht sofort antwortete, hatte er Zeit, daran zu denken, was er brauchte.
Oder besser: begehrte.
Sehr viel.
Alles.
Überwältigendes Verlangen ergriff von ihm Besitz. Es war pure Lust, primitiv und unkontrolliert, die für einen kurzen Augenblick jeden klaren Gedanken zunichtemachte.
Mit leicht unsicherer Hand fuhr er sich durch die Haare und versuchte, sich zu erklären, warum er so ungezügelt, ja geradezu triebhaft auf die Schönheit dieser Frau reagierte.
Das war ungewöhnlich bei ihm und konnte sein Leben aus dem Gleichgewicht bringen.
Ich muss etwas dagegen unternehmen, sagte Rafael sich. Eine kurze, leidenschaftliche Affäre schien das beste Mittel zu sein, sein Verlangen zu stillen und zu überwinden. Bisher hatte keine Frau sein Interesse für längere Zeit fesseln können.
Dass Libby ausgerechnet die Tochter von Philip Marchant war, machte die Situation natürlich kompliziert, aber das Problem war nicht unüberwindlich.
Flüchtig bemerkte er, dass Gretchens Vertretung aufstand und sich neben ihn stellte. Wie sie hieß, war ihm im Moment völlig entfallen. Es war ja auch schwer, an Namen zu denken, wenn man sich gerade vorstellte, in der Wärme einer besonderen Frau förmlich zu versinken und sich darin zu verströmen …
„Diese Person …“ Die Mitarbeiterin deutete anklagend auf Libby, „… hat … Ich habe sie gebeten, das Büro zu verlassen, ich habe gesagt …“
„Er wäre nicht da“, ergänzte Libby und blickte ihn fragend an. „Ich wollte Rafael Alejandro sprechen. Sie auch?“, fügte sie hinzu.
Es klang hoffnungsvoll.
Rafael schüttelte stumm den Kopf, und sie stöhnte leise.
„Also sind Sie Mr Alejandro?“, vergewisserte sie sich.
Nun nickte er. „Ja, der bin ich.“
Libby schloss die Augen. Das alles war ein einziger Albtraum!
Voller Unbehagen erinnerte sie sich an die schrecklichen Stunden im Krankenhaus, als sie alle unglücklich dagesessen und das Schlimmste befürchtet hatten. Sie, Libby, hatte für die Menschen, die sie am meisten liebte, nichts weiter tun können, als gelegentlich Kaffee aus dem Automaten zu holen.
Um sich abzulenken, hatte sie sich ab und zu in eine Traumwelt geflüchtet, in der ein attraktiver Mann sie an sich presste und stürmisch küsste. Nicht irgendein Mann, sondern der gut aussehende dunkelhaarige Fremde, dessen Weg sie so folgenreich gekreuzt hatte.
Das fand sie nicht weiter schlimm, denn es half ihr, nicht vor
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