Julia Extra Band 0354
Einige schrumpelige Tomaten, etwas Käse, ein halbes Weißbrot und eine Packung Kekse waren wirklich kein Festmahl. Oscar war bestimmt Besseres gewohnt. Aber der Kaffee in der Thermoskanne war stark und musste noch heiß sein.
Oscar bog in einen kleinen Feldweg ein und fand nach einigen Hundert Metern eine hübsche Stelle, an der ein alter Baumstumpf stand. Er hielt, stieg aus und holte Helenas Korb aus dem Wagen.
„Ich hoffe, du erwartest keine Delikatessen“, murmelte sie, während sie die Sachen auf dem Baumstumpf ausbreitete.
„Ich erwarte gar nichts. Ich habe bereits gegessen und möchte nichts. Tu dir keinen Zwang an, und iss alles auf, worauf du Appetit hast.“
„Trink doch wenigstens einen Kaffee mit mir“, bat sie. Sie hielt inne und runzelte die Stirn. „Wir müssen allerdings aus einem Becher trinken.“
„Ich werde es überleben.“ In seinen Augen stand jenes amüsierte, leicht ironische Lächeln, das ihr Herz stets zum Rasen brachte.
Schnell senkte sie den Kopf und schraubte umständlich die Thermoskanne auf, deren Deckel gleichzeitig als Becher diente. Vorsichtig goss sie die heiße Flüssigkeit hinein und reichte sie an Oscar weiter. Als sich ihre Hände dabei zufällig berührten, schien die Luft zwischen ihnen vor Spannung zu knistern.
Helena hatte plötzlich das Gefühl, auf einer Wolke zu schweben, und hätte die Welt vor Glück umarmen können. Dass sie an einem so herrlichen Tag in Oscars Begleitung nach Mulberry Court fuhr, um dort die nächsten Monate zu leben, übertraf ihre kühnsten Träume.
Gedankenverloren setzte sie sich ins Gras, biss in eine Tomate und brach ein Stück vom Weißbrot ab. Oscar, den Becher immer noch in der Hand, ließ sich neben ihr nieder und sah ihr dabei zu. Nachdem Helena ihren schlimmsten Hunger gestillt hatte, kniete sie sich hin und räumte die Reste zurück in den Korb.
Sie blickte sich um, ob sie nichts vergessen hatte, und sprang plötzlich begeistert auf. „Sieh doch nur, dort drüben! Schlüsselblumen! Ich weiß gar nicht, wann ich die zum letzten Mal gesehen habe.“
„Schlüsselblumen?“ Verständnislos runzelte Oscar die Stirn.
„Wunderschöne gelbe Wildblumen, die äußerst rar geworden sind. Am liebsten würde ich mir einen Strauß pflücken, aber das wäre unverantwortlich, weil sie so selten sind. Ich laufe nur schnell rüber, um sie mir genauer anzusehen.“
Oscar blieb mit dem Rücken am Baumstumpf sitzen und streckte die Beine aus. So konnte er Helena in aller Ruhe beobachten. Vorsichtig, um nichts zu zertreten, ging sie um die Stelle herum, bückte sich, betrachtete ausgiebig die zartgelben Blüten, berührte sie jedoch nicht. Oscar lächelte versonnen. Im Gegensatz zu den hochkultivierten Frauen seiner gesellschaftlichen Kreise brauchte Helena so wenig, um davon bezaubert zu sein – und noch weniger, um ihn zu bezaubern.
Nebeneinander gingen sie zurück zum Auto, wendeten und fuhren über den schmalen Feldweg zurück in Richtung Landstraße. Doch schon nach der ersten Biegung musste Oscar wieder abbremsen, weil vor ihnen eine Herde Kühe unterwegs war, gefolgt von einem Hirten mit zwei Hunden. Im Schritttempo und mit großem Abstand fuhr Oscar ihnen hinterher.
„Hoffentlich hat Benjamin nichts dagegen, wenn ich ihn auf seinen Spaziergängen mit Rosie begleite“, überlegte Helena laut. Soeben hatte Oscar angehalten, da die Kühe von den Hunden jetzt durch ein schmales Tor auf die Weide getrieben wurden. „Ohne Hund leben zu müssen, ist für mich das Schlimmste am Stadtleben.“
Sie musterte Oscar verstohlen von der Seite. Bei seinen markanten Gesichtszügen war es kein Wunder, wenn ihm die Frauen zu Füßen lagen. Sie senkte die Augen, ihr Blick glitt über seine muskulösen Schenkel. Hitze stieg ihr ins Gesicht, und sofort sah sie wieder aus dem Fenster. Wohin verirrten sich ihre Gedanken? Aber träumen durfte man ja …
Es war bereits später Abend, als sie Dorchester erreichten. Helena klopfte vorsichtig, und Louise öffnete ihr sofort die Tür. Sie wirkte sichtlich erleichtert, als sie Helena wohlbehalten auf der Schwelle stehen sah. Fragend blickte sie auf das große Auto, und Helena erklärte ihr kurz, was sich ereignet hatte. Mittlerweile war auch Oscar ausgestiegen und begrüßte die alte Haushälterin herzlich.
„Und Sie waren ausgerechnet heute in England? Was für ein glücklicher Zufall!“ Sie lächelte und zwinkerte Oscar vielsagend zu.
Die Einladung zu einer Tasse Tee lehnte Helena ab. „Wir
Weitere Kostenlose Bücher