Julia Extra Band 0354
auf einen Kakao eingeladen worden.“
Um sich zu beruhigen, trank sie einen Schluck Kaffee. „Sie wussten natürlich von Isobels Tod, doch sie waren überzeugt, Isobel hätte ihnen geholfen, wenn sie noch gelebt hätte.“ Helena hob den Kopf und sah Oscar an. „Isobel war deshalb so beliebt, weil sie ihren Mitmenschen vertraut hat.“
Vertrauen ohne Kontrolle grenzt an Dummheit, dachte Oscar, behielt seine Meinung jedoch für sich. „Du hast die beiden Ausreißer also in die Küche gelassen. Und was dann?“
„Dann habe ich versucht, den beiden ein einigermaßen bequemes Nachtlager zu bauen.“
„Wie bitte? Sie haben hier geschlafen? Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!“
„Und warum nicht?“ Kämpferisch sah sie ihn an. „Erst einmal habe ich mich um Harry und seinen Husten gekümmert. Als das Schlimmste dann endlich überstanden war, habe ich Milch warm gemacht und ihnen etwas zu essen gegeben. Dann bin ich nach oben gegangen, habe Decken und Kissen geholt und den beiden mit den Polstern des Sofas eine Schlafstätte auf dem Fußboden eingerichtet. Sie waren im Nu eingeschlafen.“
Oscar blieb unnachgiebig. „Und woher weißt du, dass sie in deiner Abwesenheit nichts gestohlen haben?“
Langsam verlor Helena die Geduld. War denn materieller Besitz alles, was Oscar am Herzen lag?
„Oscar, es fehlt kein einziger Kaffeelöffel, das schwöre ich dir! Die beiden waren bis auf die wenigen Minuten, in denen ich die Decken geholt habe, keinen Moment allein. Da ich sowieso nicht schlafen konnte, habe ich es mir nämlich auf der Couch im Fernsehzimmer bequem gemacht und eine DVD angesehen. Am nächsten Morgen musste ich die beiden dann regelrecht wachrütteln, so tief haben sie noch geschlafen. Wir haben zusammen gefrühstückt, dann habe ich sie mit einigen passenden Ermahnungen auf den Weg geschickt. Sie haben sich artig bei mir für die Gastfreundschaft bedankt, sich sogar verbeugt, und sind dann verschwunden.“
Helena war nicht wirklich in Gefahr gewesen, das sah auch Oscar jetzt ein. Doch es hätte ebenso gut anders ausgehen können. Nicht auszudenken, wenn es sich um gewaltbereite Kriminelle gehandelt hätte!
Oscar nahm die Weinflasche und schenkte nach. „Ich weiß nicht, wie lange deine Auszeit in Mulberry Court dauern soll“, wechselt er abrupt das Thema. „Ich jedenfalls werde diesmal länger bleiben.“
Als Helena nicht antwortete, sah er sich zu einer Erklärung gezwungen. „Louise wird einige Zeit bei ihrer Cousine bleiben müssen, das ändert alles.“
„Ich brauche niemanden, der mir Händchen hält!“, erwiderte sie empört. „Außerdem ist Benjamin fast immer hier, letztes Wochenende war wirklich die große Ausnahme. Du brauchst deine kostbare Zeit wirklich nicht mit mir zu verschwenden!“
Kaum hatte sie es ausgesprochen, da dämmerte ihr die Wahrheit: Oscar ging es überhaupt nicht um ihre Person, sondern um das Haus mit all seinen wertvollen Schätzen!
„Ich verschwende niemals Zeit“, entgegnete er ruhig. „Ich funktioniere die Bibliothek zum Arbeitszimmer um und richte mich dort mit meinem Laptop ein.“
Damit sagte er ihr jedoch nur die halbe Wahrheit. Sein eigentliches Ziel, sie für einige Tage auf eine einsame Insel zu entführen, verschwieg er nämlich. Er wollte Helena endlich einmal ganz für sich allein haben, unbelastet von dem emotionalen Ballast, der mit Mulberry Court untrennbar verbunden war.
Er wusste, dass sein Plan nicht einfach werden würde, und viel Zeit stand ihm auch nicht zur Verfügung. Er musste schnell und klug handeln.
Er würde sich anstrengen müssen, wenn er sie bald unter Griechenlands blauem Himmel verführen wollte.
8. KAPITEL
Als Oscar sich endlich entschloss, hoch in sein Zimmer zu gehen, war es bereits sehr spät. Unter der Dusche dachte er darüber nach, wie er Helena am besten dazu bringen konnte, für einige Tage aus dem nassen England ins sonnige Griechenland zu fliehen. Wenn er Helena nicht verschrecken wollte, musste er vorsichtig taktieren und auf eine günstige Gelegenheit warten. Keinesfalls durfte er die Geduld verlieren.
Er frottierte sich gerade den Rücken, als ein Geräusch ihn aufhorchen ließ. Redete dort jemand auf dem Flur? Er rieb sich noch einmal über die Haare, knotete sich dann das weiße Badetuch um die Hüften und öffnete die Tür.
Ohne ihn zu beachten, ging Helena an ihm vorbei. Sie trug ein kurzes, durchsichtiges Nachthemd, ihr Haar war zerzaust, und ihre Bewegungen erinnerten an die einer
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