Julia Extra Band 0354
lächelte. Mit ihm hatte Isobel wirklich einen Glücksgriff getan, ein Mann wie er war Gold wert. Wie er sich freuen würde, wenn Mulberry Court im Besitz der Theotokis blieb und er weiter hier arbeiten durfte!
Sie war planlos durch das Gelände gestreift und stand plötzlich an der Stelle, wo der schmale Pfad zur alten Weide vom Hauptweg abzweigte. Bisher hatte sie ihn bewusst gemieden. Alles in ihr hatte sich dagegen gesträubt, die bittersüßen Erinnerungen zu neuem Leben zu erwecken.
Doch plötzlich zog sie der alte Baum, unter dessen hängenden Ästen eine Welt für sich zu finden war, wie magisch an. Sie bildete sich ein, die strenge und doch so liebevolle Stimme ihres Vaters zu hören. Immer wieder hatte er sie ermahnt, sich Problemen zu stellen, statt die Augen davor zu verschließen.
Helena seufzte. Mit den Armen teilte sie die dicht an dicht hängenden Zweige und schlüpfte in die dämmerige und würzig duftende grüne Höhle. Gewiss, sie konnte sich ihrem Problem stellen, aber lösen konnte sie es nicht.
Sie liebte Oscar, doch er begehrte eine andere.
Eine halbe Stunde später lag Helena immer noch lang ausgestreckt hinter dem dichten Vorhang aus Zweigen, die wisperten und rauschten. Mit geschlossenen Augen lauschte sie den glücklichen Geistern der Vergangenheit.
„ Heleena …“, hörte sie immer wieder, nun allerdings näher und deutlicher. Sie wollte die Lider nicht öffnen, wollte nicht, dass ihre süßen Träumereien platzten wie Seifenblasen.
Oscar betrachtete sie nun schon eine ganze Weile. Wie kindlich sie wirkte, wie unberührt. Als sei die Zeit spurlos an ihr vorübergegangen.
„Ich wusste genau, wo ich dich zu suchen hatte.“
Diese Worte katapultierten Helena endgültig zurück in die Gegenwart. Erschrocken öffnete sie die Augen. Vor ihr stand Oscar und beugte sich über sie. Träumte sie vielleicht immer noch? Doch dann ergriff er ihre Hände, zog sie zu sich hoch und drückte sie an sich. Helena stockte der Atem. Sie war wach, und der Mann, in dessen Armen sie lag, war kein Phantom, sondern Oscar in Fleisch und Blut!
„ Heleena …“, flüsterte er in ihr Haar.
Sie legte ihm die Arme um den Nacken. Dieses eine Mal noch wollte sie ihn lieben, es sollte ein leidenschaftliches Finale werden, denn nie wieder würde er ihr gehören. Sie ließ die Finger in seinem Haar spielen, legte den Kopf zurück und genoss seine Küsse. Oscars Duft, die Wärme seines Körpers und seine Zärtlichkeiten machten sie ganz schwindelig. Hätte er sie nicht gehalten, wäre sie zu Boden gesunken.
Doch so plötzlich, wie ihre Gefühle sie überwältigt hatten, meldete sich auch die Vernunft zurück. Was tat sie hier? Welche Freiheiten erlaubte sie ihm?
„Das … das geht nicht, Oscar. Es ist nicht richtig.“
„Da muss ich dir widersprechen. Nichts könnte richtiger sein. Fühlst du das nicht?“
„Aber … aber … Allegra!“
„Allegra?“ Er runzelte die Stirn.
„Sie … sie ist doch die Frau, mit der du hier einziehen willst, oder?“
„Wie kommst du denn auf die Idee? Allegra und ihre Schwester Callidora sind Freundinnen aus meiner Kinderzeit, wir drei sind wie Geschwister.“
„Aber das Baby … die Fehlgeburt …“
„Damit habe ich absolut nichts zu tun, Helena. Allegra ist eine Frau mit eigenem Kopf und unkonventionellen Ansichten. Sie will ein Baby, aber keinen Ehemann. Völlig verrückt und unverantwortlich, wenn du mich fragst, doch sie wird ihren Willen durchsetzen, selbst wenn ihr Plan fürs Erste gescheitert ist.“
Wenn es nicht Allegra war, die er heiraten wollte, musste es noch eine andere geben. Helena schüttelte unwillkürlich den Kopf, so verworren schien ihr die Situation. Vielleicht war Oscar ja auch nach dem Tod seines Vaters noch etwas durcheinander.
„Konntest du in Griechenland alles so ordnen, wie du es dir vorgestellt hast?“, versuchte sie, das Gespräch in andere und ruhigere Bahnen zu lenken.
Er schob sie etwas von sich weg, um ihr besser in die Augen sehen zu können. „Ehrlich gesagt interessieren mich im Moment wichtigere Dinge als die Firma.“
„Ich verstehe.“ Sie schluckte. „Du denkst an das Haus und die Frau, die hier einziehen soll …“
„Erraten.“ Er zog sie so eng an sich, dass sein Atem ihre Wange streifte. „Und du wirst hoffentlich all meine Probleme mit einem einzigen Satz lösen.“
„Ich?“ Aus großen Augen sah sie ihn an. „Wie das?“
„Das habe ich dir schon einmal zu erklären versucht, nämlich am Abend
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