Julia Extra Band 0354
aufrechtzuerhalten.
„Darf ich fragen, was Sie heute Abend darstellen?“ Er nahm ihre Hand in dem fingerlosen Spitzenhandschuh und führte sie die geschwungene Freitreppe hinunter in den Ballsaal.
„Ich bin die Versuchung“, gab sie ihm lächelnd Auskunft, wobei ihre saphirblauen Augen hinter der goldenen Maske mysteriös glitzerten.
Oh ja, das war sie in der Tat!
Und der Blaise, der er noch vor drei Jahren gewesen war, hätte dieser Versuchung ohne zu zögern nachgegeben. Aber diesen Mann gab es nicht mehr. Der Blaise von heute glaubte an Kontrolle und lebte seine Libido grundsätzlich nur dann aus, wenn es ihm angebracht erschien.
„Sie dagegen haben sich offensichtlich mal wieder über alle Regeln hinweggesetzt“, bemerkte Ella mit einem Blick auf seinen klassischen schwarzen Smoking.
Er neigte sich zu ihr und raunte ihr verschwörerisch ins Ohr: „Ich habe mich als Mann verkleidet, der es nicht mag, sich zu verkleiden.“
Zur Belohnung schenkte sie ihm ein spontanes Lachen, das prompt einen weiteren unwillkommenen Blutstau in seiner Körpermitte verursachte.
„Ich glaube aber nicht, dass hier irgendjemand den Mut hat, Sie deswegen zu tadeln.“
„Wahrscheinlich nicht“, stimmte Blaise ihr zu.
Er saß inzwischen gesellschaftlich so fest im Sattel, dass er praktisch Narrenfreiheit genoss, wobei ihm natürlich klar war, dass hinter seinem Rücken gnadenlos über ihn hergezogen wurde. Vermutlich sah man ihn immer noch als den Jungen, der bei seiner Rückkehr von seinem Vater wie ein Prinz empfangen worden war und als Dank für die empfangenen Wohltaten das Lebensglück seines einzigen Bruders zerstört hatte.
Anfangs hatte ihn diese eindimensionale Sichtweise noch geärgert, aber inzwischen wusste Blaise die Vorteile seines abschreckenden Rufs zu schätzen. Er verschaffte ihm die Freiheit zu tun, was ihm gefiel, und hielt die Konkurrenz auf Abstand. Schließlich wollte sich niemand mit jemandem anlegen, der vor absolut nichts zurückschreckte, um zu bekommen, was er wollte.
„Ich finde das unfair“, erklärte Ella in diesem Moment. „Schließlich habe ich mich nach allen Regeln der Kunst in Schale geworfen.“
„Und das Ergebnis ist den Aufwand mehr als wert“, ergänzte Blaise und wandte seine Aufmerksamkeit wieder ganz seiner hinreißenden Begleiterin zu.
Die Spitze ihres Kostüms wirkte ungemein zart. Sicher wäre es ein Leichtes, sie ihr vom Körper zu reißen. Stück um Stück, bis ihr verführerischer Körper sich ganz seinen Blicken darbot. Die Maske würde er ihr nicht abnehmen. Die Vorstellung einer nackten, nur mit einer goldenen Maske bekleideten Ella hatte etwas herrlich Verruchtes.
Ohnehin würde er sie unter Tausenden wiedererkennen, ob mit oder ohne Maske. Selbst in seiner Fantasie sah Blaise die pigmentlosen Flecken an ihrem Arm. Die Narbe an ihrem Nacken. Sie machten sie einzigartig und sagten ihm, dass er Ella vor sich hatte und nicht irgendeine gesichtslose Frau.
Ella hatte den Eindruck, dass Blaise mühelos durch ihr Kostüm hindurchsehen konnte. Kein Wunder, denn es war gerade noch blickdicht genug, um die Teile ihres Körpers zu verbergen, die für die Öffentlichkeit tabu waren.
Als sie die megakurze Provokation von einem Kleid in ihrem Schlafzimmer anprobiert hatte, war sie noch stark und selbstsicher gewesen. Sie hatte förmlich darauf gebrannt, Blaise so gründlich aus dem Gleichgewicht zu bringen, wie er es mit ihr getan hatte. Jetzt hatte sie allerdings das deutliche Gefühl, sich übernommen zu haben. Blaise sah sie an, als wollte er sie noch vor dem Dinner als Appetithäppchen verspeisen – und sie hatte keine Ahnung, wie sie sich in einem solchen Fall verhalten sollte.
Aber dazu würde es gar nicht erst kommen. Sobald er ihr das Kleid ausgezogen hätte, würde er schockiert die Flucht ergreifen, in der nächsten Bar einen doppelten Whisky herunterkippen und bei dem Gedanken erschauern, dass er kurz davor gewesen war, mit einer solchen Frau Sex zu haben.
Okay, vielleicht übertrieb sie ein wenig. So schlimm sahen ihre Narben auch wieder nicht aus. Doch wenn Ella nackt vor dem Spiegel stand, fiel es ihr schwer, etwas anderes wahrzunehmen. Und es gab keinen Grund anzunehmen, dass es ausgerechnet Blaise anders gehen sollte.
Nicht nach dem katastrophalen Abschlussball an der Highschool. Es hatte sich herausgestellt, dass der Junge, der sie eingeladen hatte, nur auf eine Gelegenheit spekuliert hatte, ihr das Oberteil ihres Kleides herunterzuziehen, um
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