Julia Extra Band 0354
sehr musste diese Frau gelitten haben und noch leiden? Sicher mehr, als er sich vorstellen konnte, und definitiv mehr, als sie es verdient hatte.
„Wie spät ist es denn?“ Unvermittelt richtete Ella sich auf und griff hastig nach der Bettdecke, um sie sich bis zu den Schultern hochzuziehen, was Blaise jedoch nicht zuließ.
„Nicht“, sagte er leise, und fing an, ihr in einem langsamen, gleichmäßigen Rhythmus mit den Handflächen über den Rücken zu streichen. „Das tut doch nicht weh, oder?“
„Nein.“ Ihre Stimme klang gepresst.
„Ist außer dir noch jemand bei dem Brand verletzt worden?“
„Nein.“ Es war nur ein einziges Wort, doch es enthielt eine ganze Welt von Schmerz.
„War es sehr schlimm?“
„Ich lag monatelang im Krankenhaus“, antwortete sie ausdruckslos. „Tag für Tag dieselben Wände, dasselbe schreckliche Essen. Vor allem die Schmerzen haben mich fertiggemacht. Eine Hauttransplantation ist eine qualvolle Angelegenheit, und davon gab es viele. Die waren weit schlimmer als die ursprünglichen Verbrennungen. Jedenfalls für mich.“
Sie hielt den Kopf noch immer gesenkt und hatte die Schultern hochgezogen, als wollte sie einen imaginären Schlag abwehren. Blaise legte seine Hände darauf, ließ sie mit etwas Druck an Ellas Armen herabgleiten und wiederholte die Bewegung mehrmals, bis er merkte, dass sie sich etwas entspannte.
„Ich habe auch erhebliche Nervenschäden davongetragen“, fügte sie leise hinzu. „Auf der linken Seite meines Rückens habe ich fast gar kein Gefühl mehr. Auch nicht um die Narbe an meinem Nacken herum.“
Blaise beugte sich vor und ließ seine Stirn für einen Moment zwischen ihren Schulterblättern ruhen. Wieder spürte er einen stechenden Schmerz in der Brust. „Dann muss ich die rechte Seite eben doppelt so oft küssen, um dich dafür zu entschädigen.“
Bei seinen Worten wollte Ella das Herz fast aus der Brust springen. Tränen brannten ihr in den Augen, und sie biss sich fest auf die Lippen, um nicht zu weinen. Was sie letzte Nacht mit Blaise erlebt hatte, war weit über das hinausgegangen, was sie sich je erhofft hatte. Und er war immer noch da! Im vollen Tageslicht saß er neben ihr im Bett und berührte sie. Sagte ihr die romantischsten Dinge, die sie je gehört hatte.
„Ich wäre ein Dummkopf, wenn ich dieses Angebot ausschlagen würde“, erwiderte sie mit verdächtig bebender Stimme.
„Und ich wäre es auch.“ Er drückte ihr einen warmen Kuss auf die Schulter, bevor er rau hinzufügte: „Ich will dir nicht wehtun, Ella.“
Die Aussage schien ihm nur mit Mühe über die Lippen zu kommen, als ginge es ihm gegen den Strich, etwas Gutes oder Anständiges über sich selbst zu sagen.
„Du hast mich nicht verletzt“, versicherte Ella ihm. „Ganz im Gegenteil. Ich dachte, dass kein Mann mich je begehren würde.“ Es tat weh, das zuzugeben. Denn damit bekannte sie gleichzeitig, dass sie sich nicht gegen das Gift gewehrt hatte, das ihre Peiniger in der Schule und sogar ihre Mutter ihr eingeträufelt hatten.
Ella hätte ihm viele hässliche Beispiele dafür nennen können, aber das wäre zu demütigend gewesen. Außerdem gehörte es der Vergangenheit an. Gestern Nacht hatte sie endlich ihre Angst besiegt, und das war viel wichtiger.
„Was gibt es denn zum Frühstück?“, fragte sie stattdessen und drehte sich zu ihm um, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Brüste zu bedecken. „Ich stelle nämlich gerade fest, dass ich einen Bärenhunger habe.“
10. KAPITEL
Ella wäre viel lieber im Bett geblieben, aber es war der letzte Tag des Shootings, und die Pflicht rief.
Während sie zusah, wie Carolina in einem silbergrauen Abendkleid unter dem Wasserfall posierte, waren ihre Gedanken fast ununterbrochen bei Blaise. Wenn sie mit ihm zusammen war, spürte sie eine ganz neue Art von Selbstvertrauen. Eine Freude, die wirklich von innen kam. Und er hatte das Wunder vollbracht, dass sie sich tatsächlich schön fühlte.
Unvermittelt löste sich ein leises Lachen aus ihrer Kehle, worauf der Artdirector ihr einen pikierten Blick zuwarf. Natürlich nahm der Gute jetzt an, dass sie sich über ihn lustig machte. Der Mann war schließlich Künstler . Leider fehlte ihm jeder Sinn für Humor, dafür bezog er alles, was auf diesem Planeten geschah, auf sich. Dennoch hatte ihre heitere Stimmung nichts mit ihm zu tun.
Eine warme Brise liebkoste Ellas Gesicht und brachte sie erneut zum Lächeln. Endlich fing sie an, sich so anzunehmen, wie sie
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