Julia Extra Band 0354
war. Nicht, dass sie ihre Narben plötzlich toll gefunden hätte, aber sie hatte schon zu viele Jahre damit verschwendet, sich gegen die Ungerechtigkeit des Lebens aufzulehnen. Sie fand es immer noch ungerecht, aber die Dinge waren eben, wie sie waren. Es war ihr Leben.
Die vergangene Nacht war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zurück in die Freiheit gewesen. Jahrelang hatte sie in einem Gefängnis gelebt, zu dem niemand Zutritt gehabt hatte und das sie selbst nur unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen verlassen durfte, aber damit war jetzt Schluss! Die berauschenden Stunden, die sie mit Blaise verbracht hatte, hatten ihr ganzes Lebensgefühl verändert. Sie hatte Blut geleckt, wollte mehr von dieser vibrierenden Lebendigkeit, und das war auch gut so.
Vorausgesetzt natürlich, dass sie nicht mehr als guten Sex von Blaise erwartete. Doch das tat sie nicht. Sie hatte sich von ihm verführen lassen, weil sie es gewollt hatte. Und solange sie sich nicht in ihn verliebte, war alles in bester Ordnung.
„Ich bin wieder da!“, rief sie, als sie die Villa betrat. Die Sonne stand schon tief am Himmel, und Ella kam fast um vor Hunger. Als sie ins Wohnzimmer trat, fand sie eine Nachricht von Blaise vor: Dinner heute Abend am See.
Typisch, dachte sie lächelnd. Befehlsgewohnt und ohne überflüssige Schnörkel. Obwohl sie sich verschwitzt und abgekämpft fühlte, verzichtete sie darauf zu duschen. Den ganzen Tag über hatte sie kaum etwas gegessen, und sie gehörte eindeutig nicht zu den Frauen, die ohne Probleme eine Mahlzeit ausfallen lassen konnten.
Wenigstens trug sie ein sehr hübsches Kleid. Es zeigte viel von ihren Beinen, an denen Blaise ganz besonderen Gefallen zu finden schien. Mit einem erwartungsvollen Kribbeln im Bauch machte sie sich auf den Weg.
Blaise erwartete sie am Anlegesteg, wo ein großes weißes Boot festgemacht war. Er trug ein blütenweißes Hemd, das am Hals offen stand, und hielt eine rote Rose in der Hand.
Eine Jacht und eine Rose …
Das Kribbeln in Ellas Bauch verstärkte sich.
„Ich wünschte, ich hätte mich mehr in Schale geworfen“, sagte sie etwas nervös.
„Du siehst wie immer zum Anbeißen aus“, versicherte Blaise ihr und reichte ihr die Rose.
Ella nahm sie mit klopfendem Herzen entgegen und atmete den süßen Duft ein.
„Behalte sie“, ermahnte er sie. „Ich habe später noch etwas damit vor.“
Ein erwartungsvoller Schauer überlief sie. „Das klingt, als hättest du etwas … Verruchtes vor.“
Er lächelte durchtrieben. „Ich habe nie behauptet, ein Ausbund an Anstand zu sein.“
Nein, das hatte er in der Tat nicht. Doch das eine oder andere Mal hatte er sich durchaus so verhalten, was ziemlich verwirrend war. Offenbar besaß er viele Gesichter, aber welches davon gehörte dem wahren Blaise?
Sie hatte ihn als rücksichtslosen Unternehmenspiraten kennengelernt und wusste, dass er zahllose Frauen verführt und seinem Bruder die Verlobte ausgespannt hatte. Dann hatte sie ihn als einen Mann erlebt, der in diesem Land verwurzelt war und viel tat, um für die hier lebenden Menschen bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Und nun kannte sie ihn auch als feurigen Liebhaber, der zärtlich ihre Narben berührt und sie zu einem Dinner auf einer Jacht eingeladen hatte.
Ella befürchtete, dass dieser Blaise sich schon sehr bald wie eine Fata Morgana in Luft auflösen würde. Doch bis dahin würde sie jede einzelne Minute mit ihm bis zur Neige auskosten.
„Wie war das Shooting?“, erkundigte er sich, als er sie aufs Deck führte.
„Fantastisch. Es ist sogar noch besser gelaufen als gestern.“ Sie betrachtete die dicke, flauschige Decke, die Blaise auf dem Boden ausgebreitet und mit mehreren großen Samtkissen bestückt hatte. Daneben standen, umgeben von brennenden Kerzen, ein geöffneter Picknickkorb, eine bereits entkorkte Weinflasche und zwei Gläser. Bei dem Anblick ging Ella das Herz auf.
„Wenn du unsere Bekanntschaft so eröffnet hättest, hätte ich mich bestimmt schneller für dich erwärmt“, zog sie ihn auf, um ihre Rührung zu kaschieren.
Blaise schnalzte leise mit der Zunge. „Sieh an, du bist also käuflich.“
„Wenn ein Picknick auf einer Privatjacht dabei herausspringt, ganz sicher.“
„Na, wenn das nicht schamlos ist …“ Er zog sie in seine Arme und küsste sie ausgiebig. Als er Ella wieder freigab, blickte er ihr prüfend ins Gesicht. „Ich glaube, im Moment brauchst du dringender etwas zu essen als einen
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