Julia Extra Band 348
kein Kandidat war, an den eine Frau ihr Herz verlieren sollte.
Aber Zara hatte nur die Schultern gezuckt und der Freundin nachdrücklich versichert, dass sie auf gar keinen Fall vorhabe, ihr Herz an Nikolai zu verlieren, und dass sie erst recht nicht so töricht wäre, von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm zu träumen.
Obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach, oder? Manchmal hatte man gar keinen Einfluss darauf, wonach man sich sehnte und wonach nicht. Und hatte sie sich nicht schon selbst dabei ertappt, dass sie versucht hatte, sich auszumalen, wie ihre gemeinsame Tochter wohl aussehen mochte?
Erst als sie bei diesem Gedanken angelangt war, merkte sie, dass Nikolai immer noch halb nackt dastand und auf eine Antwort wartete. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Oh Himmel, wenn er wüsste, was sie da eben gedacht hatte!
„Nein, heute Abend habe ich frei. Ich … nun, du weißt ja, dass ich mich so oft wie möglich für die Tagschicht einteilen lasse.“
„Gut.“ Er zwang sich zu einem zurückhaltenden Lächeln, während er sich das Hemd zuknöpfte. Dabei überlegte er, ob es nicht vielleicht an der Zeit wäre, sich nicht länger vom Sex mit Zara blenden zu lassen, sondern so etwas wie Alltag in ihre Beziehung einzuführen. Dann würde er nämlich sehr schnell feststellen, wie wenig Gemeinsamkeiten es darüber hinaus tatsächlich zwischen ihnen gab. „Ich dachte mir, wir könnten vielleicht heute Abend mal zum Essen ausgehen“, schlug er vor.
„Wenn du möchtest.“ Sie warf ihm einen nervösen Blick zu. Bis auf ihren letzten Abend in Frankreich waren sie noch nie zusammen ausgegangen. Aber sie wollte seine Einladung nicht ausschlagen, obwohl ihr bei dem Gedanken, was für Herausforderungen da möglicherweise auf sie zukommen könnten, alles andere als wohl war. „Wird es … äh … sehr … vornehm werden?“
„Keine Sorge“, sagte er sanft. „Es wird überhaupt nicht vornehm.“
Aber das nahm sie ihm nicht ab. Wahrscheinlich wollte er sie nur beruhigen. Zaras einziger Job an diesem Tag war ein Geschäftsessen in einem riesigen Loft in Soho, und so blieb ihr ausreichend Zeit für einen Einkaufsbummel. Sie erstand ein heruntergesetztes hübsches Kleid aus grüner Seide, dazu eine falsche Perlenkette. Nach dem Einkaufen ging sie wieder zu Nikolai, um sich für den Abend zurechtzumachen.
Weil sie keinen Schlüssel hatte, musste sie jedes Mal die Haushälterin herausklingeln, was ihr überhaupt nicht zusagte. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass die Frau ihr ablehnend gegenüberstand, wahrscheinlich, weil sie Zara von dem Abend, an dem diese bei Nikolai gekellnert hatte, wiedererkannt hatte. Doch als die Frau ihr die Tür öffnete, rang Zara sich wie üblich ein freundliches Lächeln ab.
„Ist Nikolai schon zurück?“, erkundigte sie sich.
„Noch nicht, Miss. Mr Komarov wird in Kürze erwartet.“
Zara bedankte sich trotz des missbilligenden Tonfalls artig und verschwand nach oben, um unter die Dusche zu gehen und sich umzuziehen. Als Nikolai auf der Bildfläche erschien, war sie bereits fix und fertig. Er blieb einen Moment auf der Schwelle zum Schlafzimmer stehen und musterte sie bewundernd.
„Du siehst wirklich bezaubernd aus, angel moy “, sagte er leise, während er seinen Krawattenknoten löste.
„Findest du?“ Sie wollte schon sagen, dass sie das Kleid in einem Schnäppchenmarkt erstanden hatte, aber dann entschied sie sich anders. Es gab Dinge, die sollte eine Frau besser für sich behalten. Außerdem verstand er es womöglich als einen zarten Wink, dass er ihr etwas zum Anziehen kaufen sollte, weil sie sich nichts Anständiges leisten konnte, und das wollte sie auf gar keinen Fall.
„Oh ja, wunderschön. Deshalb sollte ich dich jetzt wohl besser nicht küssen, sonst überlege ich es mir mit dem Ausgehen doch noch anders. Gib mir zehn Minuten, damit ich mich frisch machen kann.“
Sein Wagen brachte sie zu einem Lokal in Shoreditch, mit Aussicht auf den Regents Park Kanal. Die Luft war schwül und schwer, und der Asphalt strahlte immer noch die Hitze des Tages ab, als sie ausstiegen. Zara fragte sich, ob es ein Gewitter geben würde. Das Ambiente des Lokals war äußerst spartanisch, mit abgezogenen Dielen, nackten Holztischen und gekalkten Wänden, sodass man sich ganz auf die grüngrauen Wassermassen konzentrieren konnte, die sich vor den hohen geöffneten Glasschiebetüren durch den Kanal wälzten. Die Gerichte auf der Speisekarte waren ebenfalls
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