Julia Extra Band 348
auch nur ansatzweise überspannt zu wirken. Sie musste ganz cool bleiben, auch wenn ihr schleierhaft war, wie sie das anstellen sollte.
Der Haushälterin hatte sie für den Rest des Tages freigegeben, was die Frau sichtlich überrascht hatte. Und tatsächlich zeugte es ja auch von einer gewissen Ironie, dass Zara ausgerechnet jetzt, wo sich ihr gemeinsames Leben mit Nikolai dem Ende entgegenneigte, in die Rolle der Hausherrin schlüpfte. Mit Herzklopfen begab sie sich in das große Sonnenzimmer im hinteren Teil des Hauses, wo durch die weit geöffneten hohen Fenster die nach Blüten duftende Abendluft ins Zimmer strömte. Auf einem der Kaffeetische lag das aufgeschlagene Klatschblatt mit dem Foto ihres schönen betrügerischen Geliebten.
„Zara?“
„Ich bin hier!“
Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie die schnellen Schritte hörte, die sie immer und überall wiedererkennen würde. Wie hatte sich ihr Gehör nur in so kurzer Zeit derart daran gewöhnen können?
Nikolai blieb auf der Schwelle stehen und stutzte, als sein Blick auf ihre reglose Gestalt am Fenster fiel. Es dauerte einen Moment, bis sie sich zu ihm umdrehte … mit ernstem Gesicht. Beim letzten Mal war sie ihm um den Hals gefallen, hatte ihn stürmisch geküsst und sofort angefangen, seinen Krawattenknoten zu lösen. Was war passiert? Unter ihren Augen lagen dunkle Ringe, und kein weicher Seidensatin umschmeichelte ihren Körper. Stattdessen trug sie Jeans und ein ausgewaschenes T-Shirt mit dem Logo ihrer ehemaligen Universität. Wollten sie heute nicht auf eine Party gehen?
„Hallo, Zara“, sagte er weich.
„Hallo, Nikolai.“
Er zog die Augenbrauen hoch. „Bekomme ich keinen Kuss?“
Als sie sich immer noch nicht rührte, fuhr er fort: „Du bist ja noch gar nicht umgezogen.“
„Nein.“
„Willst du nicht gehen?“
„Eigentlich nicht.“ Sie holte tief Atem und schaute ihn an. „Wie war’s in New York?“
„Bilde ich mir das nur ein, oder höre ich da einen spitzen Unterton?“
„Vielleicht hörst du das ja, weil du ein schlechtes Gewissen hast?“
„Ein schlechtes Gewissen?“ Er presste die Lippen zusammen, während er sein Sakko auszog und auf ein Sofa warf. Ungeduldig zerrte er an seinem Krawattenknoten, als ob er das Gefühl hätte, gleich zu ersticken. „Wäre es dem Delinquenten gegenüber nicht fair, wenigstens die Anklageschrift zu verlesen?“
Die Anklageschrift zu verlesen? Seine bizarre Wortwahl schmerzte. Zara schüttelte den Kopf, während sie nach Worten suchte, die es ihr erlaubten, ihre Würde zu wahren, ohne hysterisch zu klingen.
„Wie war es mit Marie-Claire?“
„Mit wem?“
Sie schluckte. Wollte er sie jetzt für dumm verkaufen oder was? „Die französische Schauspielerin, die dir so nah steht.“
„Die französische Schauspielerin, die mir so nah steht?“, wiederholte er verständnislos.
„In jeder Hinsicht.“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
„Sieh dir das an, dann weißt du es!“ Sie griff sich die Zeitung und hielt sie ihm hin. „Und komm mir jetzt bitte nicht mit irgendwelchen billigen Ausreden!“
Nikolai schaute auf das Foto und lächelte matt. Diese Art Bilder kannte er zur Genüge, sie kehrten mit schöner Regelmäßigkeit wieder. Aufnahmen, die mit der Realität so gut wie nichts zu tun hatten.
„Du glaubst diesen Quatsch?“, fragte er verächtlich. „Ohne dir die Mühe zu machen, mich erst anzuhören?“
„Wer ist sie?“, fragte Zara.
„Ich dachte, du hast sie erkannt. Und warum sollte ich deine Fragen beantworten, wo du doch sowieso schon alles weißt?“
„Sie war auch in New York!“
„Wie ungefähr zehn Millionen andere Menschen ebenfalls.“
Zaras Herz raste, ihr Hals brannte. „Findest du nicht, dass du mir eine Erklärung schuldest, Nikolai?“
„Findest du nicht, dass du mir ein bisschen Vertrauen schuldest?“
Zara blinzelte fassungslos. Er war es doch, der sich nicht korrekt verhalten hatte, und jetzt versuchte er tatsächlich, den Spieß umzudrehen, damit sie ein schlechtes Gewissen bekam! „Von wann stammt das Foto?“
Mit einem müden Aufseufzen trat Nikolai an die Hausbar und schenkte sich einen Wodka ein. Er trank nur einen kleinen Schluck, bevor er das Glas wieder abstellte und sich zu Zara umdrehte. „Das war auf einer Party, auf der wir beide eingeladen waren. Am Ende hat sie mich gefragt, ob ich sie ein Stück im Auto mitnehmen kann.“
„Was du natürlich getan hast?“
„Es wäre mir nicht besonders
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