Julia Extra Band 348
tragen?“
„Quatsch.“ Genervt verzog sie die Lippen. Diesen Gesichtsausdruck kannte er sehr gut und mochte ihn sonderbarerweise gerne. Genaugenommen machte es Simon an, wenn sie ihre Schnute zog, und das konnte er momentan überhaupt nicht gebrauchen.
„Mit einer Zahnspange würde es Monate dauern. Der Zahnarzt hat mir Verblendkronen vorgeschlagen.“
Offenbar glaubte sie, dass sie so etwas brauchte. Doch Simon sah das anders. „An deinen Zähnen ist nichts falsch!“
Sie öffnete den Mund und wies auf ihre Schneidezähne. „Ich kann einen Wassermelonenkern durch diese Lücke spucken.“
„Hör auf zu übertreiben. Da passt höchstens ein Sesamkorn durch. Aber selbst wenn du einen Melonenkern durch die Lücke spucken könntest, was wäre denn dabei? Lauren Hutton hat eine viel größere Lücke zwischen ihren Schneidezähnen als du, und sie war ein erfolgreiches Model.“
„Ich bin aber nicht Lauren Hutton.“
„Da hast du absolut recht. Du siehst viel besser aus als sie.“
„Wie lieb von dir!“, sagte Chloe. Doch er kannte sie zu gut. Ihre Worte sagten soviel wie: „Ja, schon klar“, was bedeutete, dass sie ihm nicht glaubte.
Also versuchte er es noch einmal. „Warum willst du so aussehen wie alle Welt? Dass du anders bist, macht dich doch gerade aus. Dass du anders bist, das macht dich so verdammt sexy.“
Ihm wurde ganz warm im Gesicht. Sicher bekam er rote Flecken auf den Wangen wie immer, wenn er sich schämte. Das hatte er von seinem Vater geerbt, ein weiterer Punkt, den er diesem entgegenzuhalten hatte.
„Du findest mich sexy?“
Simon nahm eine Pose ein, die es ihm erlaubte, die untere Hälfte seines Gesichts hinter seiner Hand zu verstecken. Im Laufe der Jahre hatte er ihr auf ihre immer wiederkehrende Frage: „Wie sehe ich aus“ mit Wörtern wie ‚hübsch‘ oder ‚attraktiv‘ geantwortet. Nach dem Debakel mit dem ‚toll‘ in der Buchhandlung hatte er sogar gesagt, dass sie umwerfend aussähe. Aber sexy? Niemals. Diese Beschreibung hatte irgendwie etwas Persönliches. Etwas zu Persönliches. Sie überschritt die unsichtbare Grenze, die dafür sorgte, dass sie nichts weiter waren als gute Freunde.
Verliebte fanden einander sexy, Freunde nicht. Zumindest sollten sie es nicht.
Er räusperte sich. „Ich habe jemanden so etwas sagen hören.“
„Wen?“
Sein Plan, sie auf eine andere Fährte zu locken, war aufgegangen. Das war gut. Aber nun wusste er nicht weiter. Er konnte keine Namen nennen, doch genau das erwartete sie von ihm.
„Ich … äh …“
„Oh Gott! Ich weiß!“ Sie schlug sich die Hand vor den Mund und sah ihn mit großen Augen an.
Jetzt hatte sie es also kapiert. Simon wusste nicht, ob er erleichtert sein oder sich elend fühlen sollte. Jetzt weiß sie nicht nur, dass ich sie gerade angelogen habe, sondern auch, dass ich seit Jahren in sie verknallt bin. Sie …
„Trevor!“
… hatte nicht den blassesten Schimmer.
„Trevor?“
„Er hat gesagt, dass ich sexy bin.“
„Chloe …“
„Oh, mein Gott!“
„Er hat es nicht so direkt gesagt.“
Genaugenommen war Chloe in keiner ihrer Unterhaltungen vorgekommen. Wieso auch? Obwohl sie Simon in letzter Zeit immer wieder bearbeitete, dass er ihr Trevor vorstellen sollte, hatte er nichts in dieser Richtung unternommen.
Trevor war ein netter Kerl. Er spielte ganz gut Basketball und konnte sich mit jedem unterhalten. Und er machte seinen Job gut. Perfekt, um genau zu sein. Er hatte erstklassige Zeugnisse, einen Abschluss in Harvard und brachte fünf Jahre Erfahrung in einer der größten Firmen Manhattans mit. Aber er spielte mit den Frauen.
Das war Simon schon beim ersten gemeinsamen Mittagessen mit Trevor klar geworden, als dieser hemmungslos mit der Kellnerin geflirtet und sie um ihre Telefonnummer gebeten hatte, obwohl er Simon erzählte, dass er am Abend mit einer anderen Frau verabredet war. Seitdem hatte Simon Trevor das Gebäude mit sechs verschiedenen Frauen verlassen gesehen, von denen eine hübscher war als die andere.
Er spielte mit ihnen. Das stand fest.
Jemandem wie ihm würde Simon auf keinen Fall eine so liebenswerte und hoffnungslos romantische Person wie Chloe vorstellen.
„Aber er ist an mir interessiert?“
„Chloe, er ist an allem interessiert, das zwei Beine und Brüste hat“, sagte er genervt.
„Du bist einfach nur überfürsorglich.“
Sie war nicht nur hoffnungslos romantisch, sondern auch hoffnungslos naiv, wenn es um Männer ging, die nichts für sie
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