Julia Extra Band 348
empfand, ob man sein Auftreten als Dominanz oder Fürsorge ansah. Ob man ihn respektierte und bewunderte.
Ob man ihn liebte. Was immer das heißen mochte. Anna glaubte nicht an das Konzept der Liebe. Das ganze Leben mit einem Mann zu verbringen, abends mit dem Kopf an seiner Schulter einzuschlafen, morgens in seinen Armen aufzuwachen. Inneren Frieden bei den simplen Dingen zu empfinden, wie zum Beispiel Rücken an Rücken in der Sonne zu sitzen und Eis zu essen.
Das Eis rutschte ihr aus der Hand.
Draco versuchte zu retten, was zu retten war. Als er sich wieder aufrichtete, sah er ihre Miene. „Anna, was ist? Geht es dir nicht gut?“
Ja, was war mit ihr? Sie wurde gerade zum Opfer der eigenen Fantasie. Die Atmosphäre, der Mann, die vielen Filme und Bücher über Rom … Das musste der Grund sein, warum ihr Herz plötzlich wild hämmerte.
„Mir geht es gut … Vielleicht ein wenig zu viel Sonne.“ Sie brachte ein Lächeln zustande. „Oder zu viel Eiscreme und zu viel Pasta. Ich meine, morgens knabbere ich sonst immer nur einen trockenen Toast.“
Er hätte jetzt lachen sollen, stattdessen zog er sie in seine Arme. „Ich weiß genau, was du jetzt brauchst.“
Da war sie schon wieder. Diese erbärmliche männliche Überzeugtheit! Nein, sie könnte nie …
„Etwas Kaltes zu trinken, kühle Laken und meine Arme, die dich umschlingen.“
Er hatte recht. Und das war …
… Furcht einflößend.
Draco zeigte Anna seine Stadt mit den engen Gassen, den fantastischen Brunnen, den Fresken und Skulpturen. Und er wollte hübsche Dinge für sie kaufen, doch sie lehnte höflich dankend ab. Aber als sie irgendwann die Bemerkung fallen ließ, dass sie nicht ständig in den beiden Kostümen, der einen Jeans und dem T-Shirt, das ihn ständig zum Grinsen brachte, herumlaufen könne, fuhr Draco mit ihr in die einzige Gegend, die ihm dazu einfiel – zur Via Condotti mit all den Designer-Läden.
Jede einzelne Frau, die durch sein Leben gezogen war, wäre begeistert gewesen … Anna war entsetzt.
„Du lieber Himmel, sieh dir die Preise an!“, zischte sie, wenn denn überhaupt ein Preisschild zu sehen war. In den meisten Läden hingen gar keine Preisschilder an den Sachen. Wenn Anna danach fragte, wurde sie ignoriert und nur noch Draco existierte für die Verkäuferin.
Schließlich gingen die Damen davon aus, dass er derjenige war, der die Rechnung bezahlte, was Anna nur noch mehr verärgerte.
„Anna, so sei doch vernünftig“, bat Draco sie leise. „Das ist die gängige Praxis.“
„Bei mir nicht.“
„Ich möchte dir die Sachen kaufen. Und das hier.“ Er nahm eine winzige Nachbildung des Trevi-Brunnens aus Murano-Glas auf. „Das wird sich großartig auf deinem Kaminsims oder deinem Schreibtisch machen.“
Und dich an die gemeinsame Woche erinnern . Das war es doch, was er beabsichtigte. „Dieses Figürchen kostet ein Vermögen. Außerdem ist mein Apartment zu klein, als dass Platz für einen Kamin wäre. Und wenn ich es in meinem Büro, das eher einer Besenkammer gleicht, auf den Schreibtisch stelle, wird einer meiner Klienten es garantiert stehlen.“
Ein bescheidenes Apartment, eine ärmliche Kanzlei mit Klienten, die wahrscheinlich bei allen anderen, nur nicht bei sich selbst die Schuld für ihre Probleme suchten … Anna hatte Besseres verdient. Aber Draco wusste, dass es sinnlos wäre, sie darauf hinzuweisen.
Genauso sinnlos wie der Einkaufsbummel. Bis eine Verkäuferin Mitleid mit Anna hatte – oder mit ihm – und ihr eine Adresse nannte, wo man wesentlich billigere Kleidung kaufen konnte.
Also fuhren sie dorthin. Innerhalb einer halben Stunde trug Anna eine riesige Einkaufstüte zum Wagen zurück.
„So schnell?“, fragte Draco verdutzt.
„Ja. Warum Zeit verschwenden, wenn ich weiß, was ich will?“
Richtig. Er wusste auch, was er wollte – er wollte Anna. Die ganze Zeit. Je öfter sie einander liebten, desto stärker brannte das Feuer in ihm. Es veränderte sich in etwas viel Mächtigeres.
… in etwas beängstigend Mächtiges. Draco begriff nicht, was er da fühlte. Außerdem ging ihre gemeinsame Zeit zu Ende. Nur noch zwei Tage, dachte er, als sie abends in einem kleinen Restaurant in Trastevere zusammensaßen.
Anna erzählte etwas, während er sie beobachtete, wie sie angeregt gestikulierte.
„… nicht ein Wort von dem, was ich gesagt habe.“
Er blinzelte. „Wie bitte?“
„Dabei habe ich dir gerade alle meine Geheimnisse preisgegeben.“
Lachend nahm Draco ihre Hand.
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