Julia Extra Band 358
Warum sollte sich ausgerechnet ein Lebemann wie Lysander Kahani anders verhalten?
Mit versteinerter Miene folgte sie dem Diener zu dem Jeep, der sie zurück zum Palast bringen sollte.
Im Rosenpalast erwartete Alyssa die gleiche Stimmung wie im Palais der Königin; der gesamte Hofstaat war in Aufruhr und überall wurden hektische Vorbereitungen getroffen. Lysander war nicht zu sehen, doch sie hörte seine Stimme von Weitem.
Während sie ihre und Ra’ids Sachen packte und alles für den Rückflug vorbereitete, erfuhr sie nach und nach die ganze Geschichte.
Lysander wollte sich mit dem Heer zu den Rebellen begeben, um mit ihnen zu verhandeln. Er wollte sie davon abbringen, ihn sofort auf den Thron zu heben, statt auf Ra’ids Mündigkeit zu warten.
Alyssa wusste nur eins, sie musste Lysander vor dem Abflug unbedingt noch einmal sprechen. Sie schickte ihm eine SMS – er antwortete nicht.
Kurz vor der festgesetzten Abfahrt hielt sie es nicht länger aus und machte sich auf die Suche nach ihm. In der Halle, zwischen aufgetürmten Gepäckstücken, entdeckte sie ihn schließlich.
Wie angewurzelt blieb sie stehen. Statt seiner gewohnten Designergarderobe trug Lysander einen Kampfanzug! Wie ein Fels in der Brandung stand er inmitten der aufgeregten Dienerschaft und gab ruhig und mit der ihm eigenen Autorität seine Anweisungen.
Mit keiner Geste schenkte er ihr Beachtung, er schien durch sie hindurchzusehen. So gedemütigt sich Alyssa auch fühlte, so gern sie in ihre eigenen Räume geflohen wäre, sie nahm all ihren Mut zusammen und ging auf Lysander zu.
„Ich muss mit Ihnen sprechen, Königliche Hoheit.“
Die Diener, die unmittelbar neben Lysander standen, entfernten sich respektvoll. Kühl sah Lysander Alyssa an. „Ist etwas mit Ra’id?“
„Nein.“
„Dann kann ich mir nicht erklären, weshalb du mich sprechen möchtest.“
Alyssa war wie vor den Kopf gestoßen. Sie musste einige Male tief durchatmen, um einigermaßen gefasst zu antworten. „Ich dachte, du würdest zurück in das Palais der Königin kommen.“
„Ich werde hier dringend gebraucht.“
Natürlich, das wusste sie. Lysander musste Ra’id beschützen, der ohne eigenes Verschulden zwischen alle Fronten geraten war und sich in höchster Gefahr befand.
Doch was war mit Lysander selbst? Er setzte sein Leben aufs Spiel. Sosehr Alyssa sein Pflichtgefühl auch respektierte, das Risiko, das er dafür einging, erschien ihr unangemessen. Sosehr sie sich auch bemühte, ihre Meinung für sich zu behalten, ihre Zunge war schneller.
„Bitte, Lysander, gehe nicht“, flehte sie, ohne dass sie es gewollt hätte. „Schicke jemand anderen.“
Ein kleines Äderchen pochte an seiner Schläfe. „Ich soll mich also vor der Verantwortung drücken und Ra’ids Zukunft vergessen – und die meines Landes? Nur, weil es für dich bequemer wäre?“
Der Vorwurf, aus purem Eigennutz zu handeln, traf Alyssa völlig unvorbereitet.
„Es geht mir nicht um uns, Lysander.“ Auch ihre Stimme klang jetzt schneidend vor Wut. „Da deiner Meinung nach Frauen anscheinend zu nichts weiter als zur Selbstsucht fähig sind, höre mir jetzt gut zu: Rosaras Frieden und Fortschritt sind momentan einzig und allein an deine Person gebunden, und ein Toter kann seinem Land nicht dienen.“
„Ich muss stark sein für mein Land, ich muss mit gutem Beispiel vorangehen. Alles andere wäre feige“, beharrte er.
„Du bist verblendet, Lysander!“
„Zu mir als Landesherrn in dieser Situation so zu sprechen, ist Verrat, Alyssa. Sieh dich vor!“
Sie antwortete nicht, sondern maß ihn nur mit Blicken.
„Das ist ab jetzt mein Leben, Alyssa. Es wird immer wieder politische Situationen geben, die von mir fordern, alles und jeden hinter mir zu lassen. Wenn ich meinem Land das Beste geben will, darf ich mich nicht ablenken lassen, auch von dir nicht.“
„So also siehst du mich – als Ablenkung.“ Alyssa war fassungslos.
Er blickte an ihr vorbei ins Leere. „Nimm es dir nicht zu Herzen. Sei froh, wenn ich gehe, bevor alles noch komplizierter wird. Ich hatte vor dir schon sehr viele Frauen, Alyssa. Von allen habe ich mich früher oder später getrennt.“
Er beugte sich etwas vor, vermied jedoch immer noch, ihr ins Gesicht zu sehen. „Ich möchte dir wirklich nicht wehtun, du bist so gut …“
„Leere Worte!“ Alyssa bebte mittlerweile vor Wut. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah Lysander vernichtend an. „Wie konnte ich nur so dumm sein, auf deine
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